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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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geraten. Ab und zu mussten wir die neugierigen Tiere verscheuchen, die von mir allerdings keinerlei Notiz nahmen.
    »Warum mögen sie dich so sehr?«, fragte ich, nachdem ein besonders begeisterter Spaniel von seinem Herrchen zurückgerufen worden war.
    »Ich weiß nicht, aber sie verhalten sich alle so.«
    »Vielleicht sollten wir den Hauptweg verlassen, dann sind wenigstens nicht mehr so viele Hunde unterwegs«, schlug ich vor. »Wenn wir da über die Brücke gehen, können wir uns eine Weile auf Sunbury Lock Island hinsetzen.« Es war schön, mit ihm zu sprechen, als hörte ich ihn über die Kopfhörer, doch ehrlich gesagt, wartete ich auf die nächste Gelegenheit, den Taschenspiegel zum Einsatz zu bringen.
    Wenn man ein bisschen für sich sein wollte, war Sunbury Lock Island ideal. Die lange schmale Insel war nur über eine Fußgängerbrücke und einen privaten Damm zu erreichen. Als Kinder waren wir oft hergekommen und hatten zwischen den Boothäusern und im Wald Verstecken gespielt. Die meisten Grundstücke waren privat, doch das hat uns nie davon abgehalten, uns dort herumzutreiben. Heute, am Sonntag, hatten die Geschäfte bei den Bootshäusern geschlossen, und da es keinen Zugang von der anderen Seite des Flusses her gab, würde es schön ruhig dort sein.
    Wir gingen über die Brücke und kamen an eine Wiese, von der aus wir auf den Fluss blicken konnten. Auf dem Wasser und an beiden Ufern war Sonntagsbetrieb, doch auf der Insel war alles friedlich. Ich kramte in meinem Rucksack nach einer Flasche Wasser, und als ich wieder aufsah, saß ein Dutzend weißer Vögel um uns herum. Ich kam mir vor wie Aschenputtel.
    »Irgendwie ist das bisher das Gruseligste«, sagte ich und wies auf die Vogelversammlung.
    »Ich weiß, das ist schon ein bisschen seltsam. In der Stadt passiert das nicht so oft. Vielleicht sind die Tauben mehr an uns gewöhnt.«
    Ein eisiger Schauer rieselte mir über den Rücken, aber ich bemühte mich, meine Stimme ruhig zu halten. »Wir?«, fragte ich. »Du bist also nicht allein?«
    »Nein … Ich bin viel mit meiner Schwester Catherine zusammen.«
    Schwester. Schwestern waren nach meiner Erfahrung immer ein bisschen schwierig, doch wenigstens war es keine Freundin. »Und wie seid ihr beide …?«
    »Bist du böse, wenn ich dir das später erzähle? Es ist keine sehr glückliche Geschichte, und ich sitze hier mit einem wunderhübschen Mädchen in der Sonne«, er brach ab, und ich spürte, wie er mir über die Haare strich, »und ich möchte an schönere Dinge denken.«
    »Das klingt vernünftig«, stimmte ich zu und war innerlich aufgewühlt davon, dass er mich
wunderhübsch
genannt hatte. »Und … worüber möchtest du gerne reden?«
    »Ich hab gerade gedacht, dass Reden ohnehin überschätzt wird. Warum legst du dich nicht einfach hin und lässt mich dich ein bisschen streicheln? Ich bin so froh, dass das möglich ist, dich tatsächlich zu berühren.«
    Ich legte mich in das weiche Gras, rollte mich auf die Seite und lehnte den Spiegel gegen einen kleinen Stein. So konnte ich sein Gesicht sehen, als er mir mit der Hand ganz sanft über die Wange strich. Seine Augen waren so voller Zärtlichkeit, dass es mir fast den Atem nahm.
    Unter dem Sonnenlicht und der Berührung seiner Hand, die so weich war, dass es fast der leichte Sommerwind hätte sein können, schloss ich die Augen und driftete in den Schlaf ab. Es konnten nicht mehr als ein paar Minuten gewesen sein, und sobald ich die Augen öffnete, sah ich nach ihm im Spiegel, aber er war nicht neben mir. Ich nahm den Spiegel auf und suchte damit die Waldwiese hinter mir ab.
    Es war eine ziemlich kleine Lichtung, doch sie reichte bis zum Wasser hinunter. Das Gras war frisch und kräftig, und die Wiesenblumen wiegten sich im Wind.
    Und dann entdeckte ich ihn. Er stand vorn am Fluss und starrte ins Wasser. Er sah so verletzlich aus und strich sich niedergeschlagen mit den langen Fingern durch die Haare. Ich beobachtete ihn weiter und genoss es, einmal seine ganze Gestalt sehen zu können. Ein eigenartiges Glücksgefühl überkam mich, und ich wünschte, dass das nie wieder aufhören würde. Ich wollte – nein, ich musste – mit ihm zusammen sein, ihn sehen und mit ihm reden, ihn zum Lächeln bringen.
    Er mochte ein Geist sein, aber er war mein Geist, und ich wollte ihn nie wieder verlieren. Ich musste kurz an Mia und die anderen denken und alles, was sie über ihre Gefühle zu irgendwelchen Jungs gesagt hatten, doch keine von ihnen konnte

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