Nur ein Hauch von dir
legte ich mich mit wirbelndem Kopf zurück aufs Kissen. Wie konnte ich irgendetwas von dem glauben, was sie gesagt hatte? Doch dann fielen mir wieder all die Momente ein, in denen ich den Eindruck gehabt hatte, er wäre nicht ganz offen zu mir. Meine Gedanken rasten, schnellten zurück zu jedem einzelnen Gespräch, das wir geführt hatten, ich versuchte, genau zu bestimmen, wann ich das Gefühl gehabt hatte, dass er mir auswich. Catherine hatte recht. Callum hatte mich bei allen möglichen Dingen auflaufen lassen. Und Olivia hatte er eindeutig nie erwähnt. Ich wollte es nicht glauben, doch tief im Inneren wusste ich, dass in dem, was Catherine mir erzählt hatte, zumindest ein Körnchen Wahrheit steckte.
Die einzige Möglichkeit, mir Gewissheit zu verschaffen, war, morgen mit Callum zu reden. Ich umklammerte den Reif an meinem Handgelenk und überlegte, ihn abzunehmen. Doch ich konnte mich nicht dazu überwinden. Er war meine einzige Verbindung zu Callum, und bevor ich nicht wusste, was wirklich los war, würde ich sie nicht lösen.
13 Konfrontation
Am Morgen riss mich der Wecker aus einem unruhigen Schlaf. Einen Augenblick blieb ich verwirrt liegen. Etwas Eigenartiges war passiert. Ich wusste zwar, dass es kein Traum gewesen war, doch mir fiel nicht ein, was geschehen war. Ich drehte mich um und sah den kleinen Spiegel auf dem Nachttisch liegen. Und plötzlich war alles wieder da.
Catherine war hier gewesen und hatte mir Dinge über Callum erzählt, die ich nicht glauben wollte. Ich drückte mir die Fäuste auf die Augen, konnte aber die Bilder nicht unterdrücken, die mir durch den Kopf schwirrten. Letzte Nacht, in der tröstlichen Dunkelheit, war ich überzeugt gewesen, dass sie falschlag, doch jetzt war ich mir weniger sicher. Dann suchte ich mit dem Spiegel das Zimmer ab – Callum war nicht da. Hieß das, dass sie recht hatte, dass er in diesem Augenblick mit – sogar den Namen zu denken, schaffte ich kaum – Olivia zusammen war?
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Da war niemand, mit dem ich reden konnte, niemand konnte mir helfen. Beklommen wurde mir bewusst, wie unmöglich es war, Grace davon zu erzählen. Ich war mit meiner Angst vollkommen alleine.
Das Wetter passte zu meiner Stimmung. Es regnete, und auf dem kurzen Weg zur Bushaltestelle wurde ich klatschnass. Wie benommen ließ ich an diesem Morgen den Unterricht an mir vorbeiziehen. Einerseits in der Hoffnung, Callum würde nicht auftauchen, und ich müsste mich nicht der Möglichkeit stellen, dass er mich angelogen hatte, andererseits mit dem Wunsch, endlich die Wahrheit zu erfahren. Grace bemerkte meine seltsame Stimmung und überließ mich meinen Gedanken.
Am späteren Vormittag tauchte er schließlich auf. Er schlich sich während des Chemieunterrichts ohne ein Wort an mich heran. Er wirkte glücklich, fast schon überdreht. Ich musste daran denken, dass Catherine gesagt hatte, er wäre noch ziemlich jung. Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken daran loszuwerden.
»Hallo, Schöne, wie geht’s dir heute? Bist du bereit, diesen öden Unterricht etwas zu beleben? Ich kann es nicht glauben, dass du diesen Kram lernen willst.« Er unterbrach sich kaum lange genug, um Luft zu holen. »Übrigens hab ich über ein paar Konzerte nachgedacht, zu denen wir gehen können.«
Ich hasste es zwar, ihm die Stimmung zu vermiesen, zog aber schnell mein Notizbuch näher heran.
Kann jetzt nicht spielen, außerdem hab ich Kopfschmerzen. Am Nachmittag hab ich frei. Ich rufe dich dann.
»Oh.« Seine Enttäuschung war deutlich zu hören. »Bist du sicher, dass ich nicht helfen kann? Vielleicht eine Kopfmassage gegen die Schmerzen?« Beim Sprechen streichelte er meine Stirn, und ich brauchte einige Selbstbeherrschung.
Echt, das ist toll. Aber nicht jetzt, ja? Später?
»Ich warte, bis du rufst. Mach schnell.« Dann war er weg.
Zum ersten Mal hatte ich ihm nicht die Wahrheit gesagt, und ich fühlte mich schrecklich. Konnte es wirklich sein, dass er mich angelogen hatte?
Der Unterricht zog sich hin, und ich konnte lediglich endlose innerliche Listen mit Für und Wider aufstellen, ob ich ihm glauben konnte oder nicht.
In der Mittagspause ging ich nicht in die Mensa. Da ich an diesem Nachmittag keinen Unterricht mehr hatte, war mir freigestellt, ob ich die Einrichtungen der Schule nutzen wollte oder heimging. Normalerweise wäre ich in die Bibliothek oder in die Kunsträume gegangen, um an meinem Projekt zu arbeiten, doch heute wollte ich alleine
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