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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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würde funktionieren, dass ich sie erreichen könnte, doch es passierte gar nichts. Es war, als wollte ich Wasser festhalten. Es rann mir durch die Finger, ohne dass ich es fassen konnte.
    »Sie müssen sich nicht jetzt entscheiden«, murmelte die ruhige Stimme. »Wir haben Zeit. Aber es ist für keinen von Ihnen gut, sie endlos in diesem Zustand zu belassen. Wir haben die Untersuchungen durchgeführt, und ohne eine leise Aussicht auf Besserung müssen Sie sie irgendwann loslassen. Wir können ihre Organe nutzen, um anderen zu helfen, oder die Maschinen abschalten und der Natur ihren Lauf lassen. In beiden Fällen können Sie Ihre Trauerarbeit fortsetzen.«
    Wieder Schweigen. Warum gab sie keine Antwort? Ich wollte sie unbedingt sehen können. Nickte sie?
    »Ich danke für Ihre Aufrichtigkeit«, sagte die Frau mit zugeschnürter Kehle. »Ihr Vater und ich werden entscheiden, was zu tun ist, wenn er später kommt. Er kümmert sich heute um unseren Sohn. Der hat das Ganze nicht gut verkraftet.«
    »Ich komme nachher wieder«, sagte die zweite Stimme. »Die Krankenschwester wird mich sofort rufen, wenn irgendeine Änderung eintritt.«
    »Danke«, hauchte die Frau, und ich spürte, wie sie meine Hand drückte. Schuhe quietschten über den Boden. Dann war es still bis auf das Piepen.
    Ich war also gelähmt, aber bei Bewusstsein. Irgendjemand, den ich nicht kannte, entschied für mich über Leben und Tod. Und ich hatte überhaupt keine Erinnerungen an irgendetwas. Selbst mit meinem verwirrten Kopf wusste ich, wie schlimm das war. Ich bemühte mich, die aufsteigende Panik mit Logik zu bekämpfen. Die Frau dachte, sie sei meine Mutter. Eine Möglichkeit war, dass sie recht hatte. Wenn sie meine Mutter war, würde sie doch mein Bestes wollen. Sie klang so, als ob sie sich schlimme Sorgen und Vorwürfe machte. Sie würde sicher nicht einfach die Maschinen – und damit mich – ausschalten, solange es eine andere Möglichkeit gab.
    Aber der Arzt hatte behauptet, es gäbe auf lange Sicht keine andere Möglichkeit. Ich würde sterben – und das bald.
    Wieder wurde mir das Piepen bewusst, das immer schneller wurde. Schließlich kam ich dahinter, was es war: ein Herzmonitor. Was ich da hörte, war mein eigener Herzschlag.
    Während ich dem rhythmischen Geräusch lauschte, das den Countdown bis zu meinem Tod zählte, wurde mir klar, dass ich noch eine Möglichkeit hatte. Vielleicht konnte ich mich damit bemerkbar machen, dass ich meinen Herzschlag veränderte. Ich versuchte, mich zu entspannen, zu sehen, ob ich damit die Schlagzahl verringern könnte.
    Ich konzentrierte mich darauf, meine Atmung zu verlangsamen, und wurde allmählich ruhiger. Tatsächlich piepte auch die Maschine etwas langsamer. Bei dem Gedanken, dass es vielleicht tatsächlich funktionieren könnte, wurde ich ganz aufgeregt, und das Piepen des Monitors beschleunigte sich ganz automatisch. Jetzt musste die Frau das nur noch bemerken. Vielleicht konnte ich mich selbst so weit wie möglich runterbringen, dass die Veränderung dramatischer ausfiel.
    Ich ließ mich treiben. Der Nebel, gegen den ich vorhin angekämpft hatte, sickerte wieder über die Ränder meines Bewusstseins. Ich ließ ihn sich ausbreiten und spürte, wie mein Geist abdriftete, während die langen Nebelschwaden sich langsam um mich schlangen. Sich dem völlig hinzugeben, war seltsam tröstlich, und ich spürte, wie all meine Ängste dahinschwanden. Der Nebel besänftigte und streichelte mich … Hatte ich jemals etwas anderes gewollt, als in diesem Nebel zu treiben? Nichts sonst schien irgendwie wichtig zu sein.
    Plötzlich war da ein Geräusch, scheinbar von ewig weit weg, und einen Augenblick lang teilte sich der Nebel. Wieder konnte ich die Stimme der Frau hören, diesmal drängend:
    »Alex! Geh nicht! Kämpfe dagegen an, komm zu mir zurück!«
    Ich verstand nicht. Wohin gehen? Worüber war sie denn so aufgeregt?
    Der Nebel strudelte und wand sich.
    »Alex, gib nicht auf, bitte. Bitte! Nicht gerade jetzt. Warte! Warte wenigstens auf Dad!« Sie klang so verzweifelt, dass ich zu kämpfen anfing. Ich sammelte alle Kraft, um den Nebel zurück in die Ecken zu zwingen. Er zog sich zurück, doch ich konnte spüren, dass er darauf lauerte wiederzukommen. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
    Dann fiel mir mein Plan wieder ein. Hatte es funktioniert? Hatte es sich gelohnt, den Nebel einzuladen, mich zu umfangen? Hatte die Frau irgendeine Veränderung bemerkt? Hatte etwas, das ich getan hatte,

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