Nur ein Hauch von dir
Erst gab es ein verdutztes Schweigen, und dann war die Hölle los.
»Alex?«, rief meine Mutter und nahm meine Hand. »Baby, kannst du mich hören? Sag doch was.«
Im Hintergrund konnte ich den Arzt hören. »Das ist doch nicht möglich! Nicht bei diesem Befund. Ich muss sie untersuchen.«
Ich spürte eine Hand auf meinem Gesicht, als jemand eines meiner Augen öffnete und mit einem hellen Licht hineinleuchtete.
»Lass mich in Ruhe!«, hustete ich. Das Licht zog sich zurück, und ich spürte Hände an mir, die meinen Puls fühlten, meine Reflexe prüften und schließlich den Schlauch entfernten. Es war alles zu viel. »Hört auf!«, schrie ich mit so viel Kraft, wie ich aufbringen konnte. »Ich muss nachdenken.« Die Hände verschwanden.
»Ich hole den Oberarzt«, sagte eine Stimme, und mehrere Paar Füße eilten davon. Dann war es still. Nur ein leises Schluchzen war zu hören.
»Oh, Alex, danke. Du bist wieder da!«, schluchzte meine Mutter. »Ruh dich jetzt aus. Wir können reden, wenn du so weit bist.« Ich konnte ein Schniefen hören. Vorsichtig machte ich die Augen auf. Das Licht war unerträglich hell, und mein Vater saß neben dem Bett, Tränen strömten ihm über das Gesicht, doch er lächelte strahlend. Ich lächelte zurück, dann schloss ich die Augen wieder, damit ich denken konnte. Sie würden auf mich warten.
Die Erinnerungen überschwemmten mich. Meine Eltern, Josh, Grace, die Schule. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er durchgeschüttelt worden. Alle Erinnerungen waren vollkommen durcheinander, doch ich wollte mich nicht beschweren, immerhin hatte ich wieder welche. Aber ich spürte, dass irgendetwas immer noch fehlte.
In diesem Augenblick bemerkte ich ihn … Ich konnte sein schönes Gesicht sehen, sein Lächeln, seine tiefblauen Augen. Und ich wusste, dass ich ihn liebte. Doch dann, als wäre ein erdrückendes Gewicht auf mich niedergestürzt, fiel mir alles wieder ein. Ich liebte Callum, aber er liebte mich nicht. Ich hatte versucht zu vergessen, und das war schrecklich schiefgegangen.
Callum. Mein Herz schmerzte unvorstellbar. Mit dieser Qual musste ich nun für immer leben. Hatte er sich schon einer anderen zugewandt? Ich ballte die Fäuste und spürte, wie mir eine Träne über die Wange lief. Jemand strich mir mit federleichten Fingerspitzen über die Backe und wischte sie weg.
Meine Augen sprangen auf.
Mum und Dad standen auf der anderen Seite des Zimmers in eine Diskussion mit dem Arzt verwickelt. Plötzlich spürte ich ein Prickeln im Arm und wandte den Kopf. Neben meinem Bett stand ein medizinisches Gerät. Im polierten Chrom der Seitenwand konnte ich mein Spiegelbild sehen. Direkt neben mir war Callum mit einem Ausdruck ungeheurer Erleichterung und Liebe im Gesicht, und ich wurde von der Liebe zu ihm durchflutet. Ich lächelte zurück und spürte seine sanfte Berührung in meinem Gesicht, noch ehe mir sein Verrat wieder einfiel. Wie konnte ich zulassen, dass ich lächelte? Ich wusste es doch schließlich, sosehr ich ihn auch wollte, er wollte eine andere.
»Alex?«, fragte er vorsichtig. »Ich muss dir erklären, was passiert ist. Doch das Allerwichtigste muss ich dir zuerst sagen. Catherine hat dich in vielen Dingen belogen, doch ihre größte Lüge war zu sagen, dass ich mir nichts aus dir machen würde.«
Ich machte mich innerlich hart, um die Hoffnung nicht zuzulassen, die in mir aufkeimte.
»Ich habe nur einen einzigen Menschen je geliebt, und dieser Mensch bist du. Was immer sie dir gesagt hat, es war gelogen. Du bist der einzige Lichtblick in meiner dunklen Existenz. Ich hatte keine Ahnung, dass ich jemals so für einen Menschen empfinden könnte. Mein Herz gehört dir und nur dir allein.«
Voller Hingabe brannten sich seine Augen in meine. Konnte ich ihm glauben? Durfte ich es riskieren, mich von dieser Flutwelle der Hoffnung überrollen zu lassen? Wenn das eine Lüge war und ich fiel darauf herein, wusste ich, einen zweiten Verrat würde ich nicht überleben. Er sah mich zögern, und sein hoffnungsvolles Gesicht zerfiel zu einem Ausdruck von tiefster Schwermut.
»Sie hat dich überzeugt, oder? Ich hab sie nicht rechtzeitig aufhalten können. Ich kann es nicht fassen, dass sie so grausam war …« Seine Stimme erstarb, von Gefühlen überwältigt.
Ein ganzes Aufgebot von Ärzten stand plötzlich neben meinem Bett. Ich riskierte noch einen weiteren Blick auf Callum. Was auch immer geschehen war, ich konnte ihn nicht einfach wegschicken. Ich musste die Wahrheit
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