Nur ein Hauch von dir
gar nicht zu ihr passte. Also bin ich ihr schließlich gefolgt. Doch ich kam zu spät, um das, was dann geschah, zu verhindern, ich war einfach nicht nahe genug.« Er schloss die Augen, fuhr aber gleich darauf fort: »Sobald mir klar war, warum du Grace dein Amulett gegeben hast, hab ich versucht dazwischenzugehen. Catherine konnte ich nicht aufhalten, doch ich musste versuchen, dich zu retten.« »Was hast du gemacht?«, fragte ich mit wachsendem Entsetzen und war gar nicht so sicher, ob ich das wirklich wissen wollte.
»Ich habe deine Erinnerungen zur gleichen Zeit genommen, in der sie sie gestohlen hat. Es gab keine andere Möglichkeit.«
»Aber warum? Und wie hast du das gemacht?«
»Es musste alles so schnell gehen, doch ich wusste, was zu tun war … Zuallererst leerte ich mein eigenes Amulett vollständig.«
»Du hast alles gelöscht? Die ganzen Erinnerungen? Die glücklichen Gedanken? Alles, was dich davor bewahrt, in Verzweiflung zu versinken?« Ich konnte es kaum glauben. Ohne einen minimalen Vorrat an Glück, war er verloren. Und für mich hatte er riskiert, daran zu Grunde zu gehen.
»Aber hast du mir nicht erzählt, dass du es nie ganz leer gehen lassen darfst?«
Er sah mir in die Augen. »Das stimmt, doch ich musste es versuchen. Du hast dich Catherine wegen mir ausgeliefert, und so musste ich versuchen, es wiedergutzumachen.«
»Und wie ging es weiter?«, wisperte ich.
»Ich war mir nicht ganz sicher, wie weit ich gehen konnte. Und ich hatte nur eine Sekunde, den Bruchteil einer Sekunde lang Zeit. Hätte ich all deine Erinnerungen auf mein Amulett gezogen, wäre ich mit Catherine verschwunden, ich wollte dich aber nicht verlassen.« Fast scheu lächelte er mich an. »Es war einfacher, als ich erwartet hatte«, fuhr er fort. »Viel einfacher. Offenbar können wir unsere Erinnerungen freilassen, wenn wir wollen. Ich weiß nicht, was dann mit ihnen passiert. Vielleicht finden sie im Kopf von irgendjemand ein neues Zuhause und bereichern dessen Leben mit ein bisschen fremdem Glück.« Er lächelte. »Sobald ich mein Amulett geleert hatte, machte ich eine Kopie von jeder Erinnerung, die Catherine dir gerade aus dem Kopf zog.«
»Hast du sie alle sehen können?«, wisperte ich beschämt.
»Na, ich hab versucht, nicht hinzuschauen«, meinte er entschuldigend und suchte meinen Blick. Doch ich konnte seinen Blick nicht erwidern.
»Nachdem Catherine verschwunden war«, erzählte er weiter, »wartete ich bei dir, bis der Krankenwagen eintraf. Du warst bewusstlos. Zum Glück hatte dieser Rob gesehen, wie du zu Boden gefallen bist, und als er zu dir gerannt ist, hat er auch Grace gefunden.« Robs Namen spuckte er regelrecht aus. »Als er keine von euch wiederbeleben konnte, hat er Hilfe geholt.
Dann haben sie euch beide ins Krankenhaus gebracht. Grace trug noch das Amulett, daher konnte ich einfach folgen. Ich konnte dich sehen«, sagte er wehmütig, »doch ich konnte nicht in deinen Kopf gelangen, nur in ihren. Tagelang habe ich bei dir gesessen und die Ärzte bei ihren Diskussionen belauscht, ob du eine Chance auf Heilung hättest. Irgendwann fingen sie an, darüber zu sprechen, die lebenserhaltenden Maßnahmen abzusetzen.« Seine Stimme klang gequält.
»Ich war mir sicher, dass du nur dann eine Chance hättest, wenn das Amulett wieder an deinem Arm war. Die Verbindung, die es zwischen uns herstellt, würde es einfacher machen, dich aufnahmefähig zu machen, damit ich dir deine Erinnerungen wieder übertragen konnte. Doch mir lief die Zeit davon. Ich musste also Grace irgendwie davon überzeugen, dass sie es dir unbedingt wiedergeben muss. Doch das war nicht so einfach, wie ich gedacht hatte.« Er holte Luft. »Ich musste ein bisschen kreativ sein.« Er lächelte leicht schuldbewusst, als er mich ansah.
»Was hast du mit ihr gemacht?«
»Also, ich hab zu ihr nicht diese starke Verbindung wie mit dir, daher konnte ich mich nicht direkt mit ihr verständigen. Aber sie trug das Amulett oft – sie konnte gar nicht aufhören, an dich zu denken –, und ich sprach ständig zu ihr. Ich wusste, dass sie mich nicht so hören konnte wie du mich, aber es war klar, dass ich irgendwie zu ihr durchdrang. Als die Ärzte dann nachgegeben und Grace erlaubt haben, dich zu besuchen, schöpfte ich Hoffnung.
Sobald sie dir das Amulett umgelegt hatte, konnte ich damit beginnen, alle deine Erinnerungen wieder auf dich zu übertragen, dorthin, wo sie hingehören. Dabei war endlich auch die jahrelange
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