Nur ein Hauch von dir
mit einem vorläufigen Fahrschülerausweis gefahren war. »Fahren ohne Führerschein ist ein ernsthaftes Vergehen, junge Dame. Ich hoffe, Ihnen ist das klar.«
Ich nickte so demütig wie möglich.
»Was meint der denn mit
junge Dame
? Er ist doch selbst gerade mal zwölf!« Callum war gut gelaunt und hatte seinen Spaß daran zuzusehen, wie ich versuchte, mich aus den Vorwürfen herauszuwinden.
Ich griff auf meinen derzeitigen Standardabwehrmechanismus zurück. »Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass das falsch ist. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich einen wirklich guten Grund dafür gehabt habe, doch ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern. Da ist alles völlig leer.« Ich schaute zu ihm hoch, ein mitleiderregendes Bild der Zerknirschung.
Der junge Polizist wurde rot. »Na, zum Glück haben Sie ja keinen Unfall verursacht. Aber ich muss einen Bericht schreiben, und Sie werden wahrscheinlich schon angezeigt. Kein so guter Start für den Führerschein, oder?«
»Nein, sicher nicht. Es tut mir echt sehr leid. Und ich verspreche, dass so etwas nicht noch mal passiert.«
»Eigentlich ist Alex immer sehr verantwortungsbewusst, Herr Wachtmeister«, fügte mein Dad hinzu. »So etwas zu machen passt überhaupt nicht zu ihr.«
»Sie sollten Ihre Tochter zum Gericht begleiten, falls die Sache vor Gericht kommt«, erwiderte der Polizist und klappte sein Notizbuch zu. »Sie können für sie aussagen, weil sie noch minderjährig ist.«
Dann wandte er sich wieder mir zu. »Sie haben großes Glück gehabt, das hätte alles ganz anders ausgehen können«, sagte er streng. »Sie hören von uns.«
»Danke.« Ich bemühte mich, möglichst einsichtig zu klingen.
»War das jetzt alles?«, fragte mein Vater, als er den Polizisten nach draußen begleitete. Die Antwort konnte ich nicht mehr hören, froh darüber, dass die Sache für heute überstanden war. Ich war dankbar, dass meine Eltern mir die Story mit dem Gedächtnisverlust glaubten, sonst würden sie noch jahrelang immer wieder darauf herumreiten.
Nach ein paar Tagen endlich wurde ich entlassen. Es gab keinen Grund mehr, mich dazubehalten, und das Krankenhaus brauchte das Bett. Und so ließen mich die Ärzte gehen, auch wenn sie nicht dahintergekommen waren, was mir nun eigentlich zugestoßen war. Sie bestanden allerdings darauf, dass ich weiter unter Beobachtung blieb, und wir vereinbarten Termine für mehrere Untersuchungen in London während der kommenden Wochen. Mich kümmerte das nicht – ich war auf dem Weg nach Hause, wo ich Callum nach Herzenslust sehen und sprechen konnte.
Meine Eltern holten mich ab, und Mum fand ständig eine Gelegenheit, mich zu berühren – meine Schulter zu drücken oder mir übers Haar zu streichen –, sie konnte immer noch kaum glauben, dass ich wieder da war. Auch Dad suchte immer wieder meinen Blick.
Zu Hause wartete Josh auf meine Rückkehr. Er strahlte über das ganze Gesicht.
»Na, haben sie dich schließlich doch rausgeschmissen, was?«, stichelte er und nahm mich so fest in die Arme, dass ich kaum noch Luft bekam.
»Ja, schon. Sie haben meinen schlauen Plan durchschaut, bis zum Ende des Schuljahrs nicht mehr in die Schule zu müssen.«
»Das klingt gerade so, als hättest du ihnen das Leben zur Hölle gemacht.«
»In Wirklichkeit sind die ganz wild darauf, mich wiederzusehen. Offensichtlich bin ich ein besonders interessanter Fall.«
»Das ist ja dann mal eine ganz neue Erfahrung für dich«, sagte er ruppig und drückte mich noch einmal an sich. »Weißt du, irgendwie hast du mir gefehlt. Schön, dass du wieder da bist.«
Das Haus war voller Blumen, und es gab Hunderte von Karten. Auf dem Tisch sah ich sauber ausgeschnitten und sortiert einen Stapel Zeitungsartikel. Dad sah meinen erstaunten Blick und wirkte ein bisschen verlegen.
»Weißt du, du bist jetzt so was wie ein Promi – und Grace natürlich auch. Wir haben die Artikel aufgehoben … na, damit du entscheiden kannst, was wir damit machen.«
»Was sollen die denn herausgefunden haben?«
»Das weiß ich nun wirklich nicht. Eine undichte Stelle im Krankenhaus? Vielleicht eines der Mädchen in der Schule?« Er zögerte. »Du brauchst sie ja nicht zu lesen. Manche Artikel sind ein bisschen … eigenwillig.«
Ich blätterte flüchtig durch die Sammlung und las einige Schlagzeilen;
Schulmädchen zu Selbstmord verabredet
;
Kew-Killer im Doppelpack
;
Koma in der Pagode
. Ich beschloss, das nicht unbedingt sofort lesen zu müssen.
Ich
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