Nur ein Katzensprung
sicher, dass ich dich nicht gehen lassen kann. Mama interessiert sich natürlich nicht für dich. Du hast ja kein Talent, aber du würdest unser kleines Geheimnis verraten.“ Er streichelte ihr sanft über die Wange. „Ich könnte dich für mich behalten. Oh, nein, das ist ein Fehler. Sie würde es bemerken. Sie liebt es nicht, wenn ich mich mit unwichtigen Dingen beschäftige. Der Erfolg kommt nicht von allein.“ Er warf einen prüfenden Blick über die Schulter.
„Sie könnten den Vorhang zuziehen, dann sieht sie nichts“, sagte Anna.
„Kluges Kind.“ Er ging tatsächlich hinüber, blies die Kerzen aus und schloss den Vorhang.
Anna wappnete sich. Wenn er sie vergewaltigen wollte, musste er die Folie abwickeln, sonst bekam er ihre Jeans nicht auf. Sie musste ihn überreden, sie auszuwickeln.
Sie saß mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Er hockte sich vor sie hin. Seine Finger streichelten ihre Wange, wanderten an ihrem Hals herunter, bis zu der Stelle, an der die Folie begann. Jetzt glitten beide Hände über ihren Oberkörper, streichelten ihre Brüste, die sich unter der fest gewickelten Folie deutlich abzeichneten. Er seufzte und ließ die Hände sinken. „Das macht keinen Spaß.“ Er richtete sich auf, stieß mit seiner Fußspitze gegen ihren Unterschenkel. „Bei dir fühlt sich alles so künstlich an, wie aus Plastik.“ Wieder lachte er laut. „Ich lass euch ein bisschen allein, muss noch was erledigen.“
Er hatte das Licht bereits ausgeschaltet, als er noch etwas sagte: „Schon komisch, Leon hat an der gleichen Stelle auf dem Boden gesessen. Er ist mir gefolgt, genau wie du. Er war genauso neugierig wie du. Bei ihm hat es fünf Tage gedauert, bis er verdurstet war. Hast du ordentlich was getrunken zum Frühstück?“
Wie als Antwort darauf, begann Annas Handy zu klingeln.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Holzminden
Sonntag, 6. November 2011
gegen 14.30 Uhr
58
In Kofis Ohren klangen die Sirenen der Einsatzfahrzeuge wie Circes Gesang. Wenn sich die Kollegen doch etwas beeilen würden. Je länger sie hier herumsaßen, umso größer wurde die Gefahr für Kim. Erneut wählte Kofi Annas Telefonnummern. Sie meldete sich nicht, nicht am Handy, nicht zu Hause und nicht im Partyservice. Er wurde immer unruhiger.
Marc und seine Kollegen hatten bereits mit der Arbeit begonnen, als auch Stefan Ollner endlich aus dem Auto ausgestiegen und am Käfig angekommen war. „Kann man dich eigentlich nirgendwo allein hinlassen?“, fragte er.
„Das musst du gerade sagen. Körner hat eine Genehmigung für zwei Ozelots, die der Familie seiner Frau in den USA gehörten. Da er sich auf dubiosen Wegen ein zweites Pärchen besorgt hat, versuchte er, uns von hier fernzuhalten. Ich glaube nicht, dass er Leons Leiche hier abgelegt hat. Er hätte ganz andere Möglichkeiten, sie verschwinden zu lassen. Die Hundeführer bestätigen, dass die Leiche gestern noch nicht hier gelegen hat und sich jeweils zwei Ozelots in den beiden Käfigen aufhielten.“
„Wie seid ihr drauf gekommen?“
„Paul Schreiber hat uns hergeführt. Er hat wohl nach Kim gesucht. Da er Gregor Körner nicht leiden kann, hat er ihn verdächtigt. Außerdem hat ihm Kim erzählt, dass sie die Ozelots gern sehen würde. Deshalb ist er hierher geradelt.“
„Langsam gehen uns die Verdächtigen aus.“
„Warte mal, ich habe mir etwas überlegt. Hatte genug Zeit, während ich auf euch gewartet habe. Wir haben Sander für den Täter gehalten, weil er Zugang zu den beiden Rechnern in Leons Wohnung und hier im Varieté hatte“, fasste Kofi zusammen.
Marc tauchte neben ihnen auf.
„Du hast recht, Kofi, die Folie scheint die gleiche zu sein, die auch bei den Kindern verwendet wurde. Als Todesursache würde ich fürs Erste sagen: Er ist verdurstet und verhungert, übrigens in einem Raum mit Sand, Steinen, Felsen.“
„Hast du die andere Hälfte der Spinne gefunden?“
„Das nicht, aber ein Stück Sackleinen und Kerzenwachs auf der Hose.“
„Also doch ein alter Keller. Es hilft nichts, die Hunde müssen das Haus und alle Nebengebäude unter die Lupe nehmen.“
„Lass uns noch mal auf die E-Mails zurückkommen. Frau Rugenstein hat uns heute Morgen gesagt, dass noch jemand Zugang zu Leon Scharffetters Wohnung hatte, nämlich ihr zweiter Chef, der Anwalt Nussbaum“, wandte Ollner ein.
„Moment, da fällt mir etwas ein. Im Saal, an der Pinnwand. Da hängt ein Zeitungsartikel. Demnach ist Oliver
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