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Nur ein Katzensprung

Nur ein Katzensprung

Titel: Nur ein Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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Einzige, der ihn unterstützen konnte, war ausgerechnet Paul.
    Doch er wusste nicht, was sie tun sollten. Er konnte überhaupt nicht mehr klar denken.
    Wie kam Leon Scharffetter hierher? Wo hielt sich Kim auf?

57
    Anna erwachte langsam. Sie spürte einen starken Druck auf der Brust und wunderte sich, dass sie die Arme nicht bewegen konnte. Sie lag auf einem harten Untergrund. Ihr Kopf schmerzte. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Es war düster. Eine einzelne Glühlampe baumelte über einem Tisch. Hinter sich erkannte sie eine kalte Wand. Sie drehte sich zur Seite und versuchte, sich aufzusetzen. Da bemerkte sie die Folie, die jemand um ihren Oberkörper gewickelt hatte. Sie spürte, wie die Panik ihr die Luft aus der Lunge drückte. Sie riss den Mund auf, keuchte.
    „Wieder wach?“
    Nussbaum!
    Anna erinnerte sich an den Keller, den Gang, den Schlag auf den Kopf.
    „Wo sind wir hier?“
    Nussbaum schaute sich um. „Tja, wonach sieht es aus?“ Er packte sie und zog sie auf die Beine. Die Folie reichte in dicken Strängen bis zu ihren Oberschenkeln. Sie konnte nur die Fingerspitzen bewegen. Gehen konnte sie nur mit Trippelschritten. Sie stolperte mehrmals, während er sie durch den Raum bugsierte.
    „Ein Tisch, vier Stühle, ein Regal und eine Truhe.“ Er zog einen fadenscheinigen Vorhang zur Seite. „Und hier ist sogar eine Toilette.“ Entsetzt sah Anna auf den Blecheimer. Daneben stand ein Hocker, auf dem ein paar Blatt Zeitungspapier lagen.
    „Sind wir unter der Synagoge?“
    „Gut geraten. Es sieht so aus, als hätten sich hier ein paar Juden vor den Nazis versteckt. Ich weiß nicht, ob es ihnen gelungen ist. Als ich den Keller entdeckt habe, lagen jedenfalls keine Leichen herum.“ Er lachte hohl.
    Anna schloss die Augen. Sie fürchtete sich vor dem, was jetzt unweigerlich folgen musste. Nussbaum ergriff ihr Kinn und hob es an. „Keine Angst. Ich tue Ihnen nicht weh. Ich tue niemandem weh. Anna, machen Sie die Augen auf.“
    Sie gehorchte. Er führte sie weiter. Ein offensichtlich fabrikneuer, dunkelblauer Samtvorhang bedeckte einen Teil der Wand. Oder handelte es sich um eine Nische?
    Als Nussbaum den Vorhang zur Seite zog und begann, die vielen Kerzen anzuzünden, die in der Nische standen, begriff sie.
    An der Wand vor ihr hing ein riesiges Schwarz-Weiß-Foto einer Frau. Auf einem Bord darunter brannten die ersten Kerzen. Davor stand ein Bett, auf dem eine glänzende Gestalt lag. Anna zwang sich, hinzuschauen. Es war Emma. Sie lag mit friedlichem Gesichtsausdruck auf dem Rücken. Ihre Augen waren weit geöffnet und schienen starr auf die Frau an der Wand gerichtet zu sein. Auf ihrer Brust lagen ein paar gelbe Blüten.
    Nachdem Nussbaum alle Kerzen angezündet hatte und wieder zu ihr trat, bemerkte sie, dass Kim auf dem Boden neben dem Bett lag. Sie ließ sich auf die Knie fallen, versuchte vergeblich ihre Arme aus der Folie zu befreien. Sie neigte den Kopf und sah, dass Kims Brust sich, zwar in langen Abständen, aber doch deutlich sichtbar hob und senkte.
    Nussbaum packte sie an einem Bein und zog sie weg. Ihr Kopf knallte auf den Boden. Sie schrie vor Schmerzen. Er zerrte sie bis zur anderen Wand der Kammer, trat ihr gegen den Brustkorb und brüllte. „Fass sie nicht an, niemand fasst sie an.“
    Er schüttelte sich und ging zurück zur Nische.
    „Mama, du musst ihr verzeihen. Sie versteht es nicht. Es kommt nicht noch einmal vor.“ Er bückte sich und hob Kim auf wie eine Puppe.
    Anna richtete sich lautlos auf, beobachtete ihn. Was hatte er vor?
    „Guck mal, ich habe dir ein neues Geschenk mitgebracht. Sie tanzt Ballett. Hübsch nicht?“ Er begann, Kim zu entkleiden. Ihre Kleidungsstücke warf er achtlos zu Boden. Als sie völlig nackt war, hielt er sie vor das Bild und fragte: „Gefällt sie dir?“ Er legte den Kopf schief, als würde er der Antwort der Fotografie lauschen. „Gut, dann bereite ich sie jetzt für dich vor.“
    Er packte Kim sorgfältig neben Emma. Dann nahm er Emma hoch und ließ sie nahe bei Anna gleichgültig auf die Erde fallen. Anna verhielt sich ganz ruhig.
    In der Nische kniete er sich vor das Bett. Andächtig betrachtete er Kims kleinen Körper. Sie rührte sich nicht. Hatte er sie betäubt? Er faltete ihre Hände auf der Brust, kämmte ihre Haare mit einem Kamm, den er aus seiner Jackentasche gezogen hatte, und richtete ihre Fußspitzen aus.
    „Ich bin gleich zurück, Mama.“
    Anna erstarrte, als er auf sie zukam. Er grinste auf sie herab. „Du verstehst

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