Nur ein Katzensprung
hatte, bevor sie begann, laut singend um den Tisch herumzutanzen.
Kim und Paul kamen angelaufen und schauten ihr zu. „Was ist los?“, wollte Kim wissen und zog an Annas Schürze.
„Wir haben einen neuen Auftrag. Wie viel ist 16 mal 22?“
„Viel?“
„Genau. Das sind, lass mal sehen, ja, 352 Euro. Dafür machen wir ein paar verzauberte Muffins und servieren sie in einem Varieté.“
„Was ist ein Varieté?“
„Eine Art Restaurant, aber da gibt es nicht nur etwas zu essen. Das Wichtigste am Varieté ist die Show, mit einem Clown, Akrobaten oder einem Zauberer oder mit Tieren. Der Herr Körner hat ein ganz besonderes Varieté, es ist nämlich speziell für Kinder. Es heißt Varieté Ozelot. Herr Körner ist Bauchredner, er spricht mit seiner Ozelot-Puppe.“
„Was ist ein Ozelot?“
„Das ist eine Raubtierart aus der Familie der Katzen, die in Mittel- und Südamerika lebt“, leierte Paul mit seiner sonoren Stimme herunter. „Der Ozelot ist gefleckt und die größte Pardelkatze. Er heißt auf Lateinisch leopardus pardelus.“ Paul beugte sich ein wenig zu Kim vor. „Er kann bis zu einem Meter lang und 15 Kilogramm schwer werden.“ Paul wackelte bedeutungsvoll mit dem Zeigefinger. „Die Azteken beteten einen Gott an, der hatte Ohrringe mit Ozelotkrallen dran.“
„Echt?“ Kim war beeindruckt.
Auch Anna war immer wieder erstaunt, was Paul alles wusste. Sobald ein Stichwort fiel, begann er die skurrilsten Informationen abzuspulen. Anna konnte nur nicht einschätzen, wie viel er davon wirklich verstand.
„Ist ein Ozelot auch eine Katze?“, fragte Kim.
„Ja, aber eine ziemlich große. Die lebt bei uns nur im Zoo.“
„Und im Varieté Ozelot“, sagte Paul.
„Das glaube ich nicht. Die stehen doch unter Naturschutz“, widersprach Anna.
„Doch“, sagte Paul, „Herr Körner hat welche, in seinem Garten, ganz hinten.“
Anna wollte lieber nicht nachfragen, was Paul ganz hinten im Garten von Herrn Körner zu suchen hatte.
Zum Glück klingelte das Telefon.
„Hallo Irene, ist was passiert? Du klingst bedrückt.“
„Ich weiß es nicht, Anna. Leons Büro ist verwüstet, die Polizisten haben sogar Blutflecken gefunden, aber irgendwie wirkt alles falsch. Und dann ist der Polizist weggelaufen, weil ein Kelvin gefunden wurde. Ist mit Kim alles okay?“
„Willst du sie sprechen?“
„Ja bitte, gib sie mir mal.“
Anna holte die Bleche mit den getrockneten Kräutern aus dem Backofen, während Kim telefonierte. Sie schüttete einen Teil der Kräuter in ihre Mühle und setzte sie in Gang. Doch das Geräusch war zu laut. Sie musste warten, bis Kim fertig telefoniert hatte.
Nachdem Kim aufgelegt hatte, saß sie ganz still auf einem Hocker. Paul stand mit hängenden Schultern vor ihr.
Anna blickte von ihren Blechen auf. „Was ist denn mit euch los?“
„Kelvin ist weg.“
„Wer ist Kelvin? Einer aus deiner Klasse?“
„Ein Streber, aber trotzdem. Er war die ganze Nacht weg.“ Kim sah auf. „Nachts ganz allein draußen, da hätte ich Angst.“
„Ich würde dich beschützen, Kim“, sagte Paul. „Schön einwickeln und warm halten.“ Er machte wiegende Bewegungen mit den Armen, so als hielte er ein Kind. Dann lachte er auffordernd. „Alles wieder gut?“
Anna seufzte. „Ach, Paul, so einfach ist das nicht immer. Niemand weiß, wo Kelvin ist, deshalb kann ihn auch keiner in den Arm nehmen.“
„Das ist schlimm.“
„Leon ist auch verschwunden“, flüsterte Kim.
Paul wiegte den Kopf. „Vielleicht sind sie zusammen verschwunden.“
Kim warf Anna einen fragenden Blick zu. „Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nicht mal, ob sie sich kennen.“ Sie sah auf die Uhr. „Jedenfalls müssen wir uns sputen, sonst komme ich zu spät zu meinem Workshop. Das gehört sich nicht.“
„Das gehört sich wirklich und wahrhaftig nicht“, sagte Paul und trug den ersten Korb mit Zutaten hinaus zu Annas kleinem Lieferwagen. Er summte leise vor sich hin.
12
Kofi Kayi wartete auf der Neuen Straße vor der Kreisverwaltung mit laufendem Motor auf Stefan Ollner. Dieser kam aus der Katzensprunggasse gelaufen, sah ihn sofort, riss die Beifahrertür auf und hechtete auf den Sitz. Kofi war schon losgefahren, bevor Stefan die Tür richtig zu hatte.
„Ein Mann ist mit seinem Hund spazieren gewesen. Er hat in dem Wäldchen hinter der Schleifmühle eine Kinderleiche gefunden.“
„Scheiße!“
Kofi nickte nur. Er fuhr mit zusammengebissenen Zähnen so schnell, wie er es verantworten
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