Nur ein Katzensprung
bleiben“, erläuterte Oliver.
„Sicherlich kann Herr Scharfetter von zu Hause auf die Daten zugreifen, wenn er das möchte?“
„Könnte er wohl, tat er aber nicht. Er wollte Arbeit und Privatleben trennen.“
„Außer bei ihr“, sagte Stella.
Oliver drehte sich zu ihr um und sagte: „Hör auf. Das bringt uns nicht weiter.“ Er grinste die Polizisten an. „Stella war vom ersten Tag an in ihn verschossen, aber Leon hat ihr gesagt, dass sie erst kündigen müsse, bevor sie für ihn in Frage käme.“
„Und dann schleppt er die Tussi da an.“
Irene ballte die Fäuste unter dem Tisch, sagte aber so ruhig wie möglich: „Leon und ich sind seit mehr als einem Jahr zusammen. Als ich vor etwa fünf Monaten arbeitslos wurde, hat er mir die Stelle hier angeboten. Ich bin alleinerziehend und auf das Geld angewiesen.“
Guntram Schnitter nickte. „Verstehe. Können Sie denn erkennen, ob und wann Herr Scharfetter noch einmal in die Firma gekommen ist?“
„Ich sehe mal nach.“ Irene war heilfroh, aus dem Besprechungszimmer verschwinden zu können. Sie hatte nicht geahnt, dass Stella sie so sehr hasste. Natürlich hatte sie wahrgenommen, dass die Kollegin mit Leon flirtete, aber das tat sie mit allen Männern, vor allem mit den Kunden, jedenfalls, wenn sie attraktiv waren.
Warum hatte Leon sie nicht gewarnt?
Nachdem ihr Rechner hochgefahren war, prüfte sie die Dateien, die sie gemeinsam nutzen. Am Samstagmorgen um 10.34 Uhr hatte Leon noch eine Notiz für Stella eingetragen. „Umsatzsteuererklärung für Anna Blume auf monatlich umstellen, Umsatzgrenzwert überschritten.“
Annas Partyservice schien gut zu laufen. Irene freute sich für sie. Etwas anderes entdeckte sie nicht.
Bevor sie ins Besprechungszimmer zurückgehen konnte, tauchte das Spurensicherungsteam auf.
Irene blieb im Flur stehen. Herbert Heinrich gesellte sich zu ihr. „Waren Sie am Wochenende verabredet?“
Irene nickte, sie hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals.
„Er wollte am Nachmittag vorbeikommen.“
„Wollten Sie etwas gemeinsam unternehmen?“
„Wir hatten keine konkreten Pläne, wollten gucken, wie das Wetter wird. Meine Tochter Kim hatte am Sonntag einen Auftritt mit ihrer Balletttruppe. Sonst stand nichts an.“
„Entschuldigen Sie, aber, war es üblich, dass Herr Scharfetter nicht auftauchte, obwohl Sie verabredet waren?“
Irene schüttelte den Kopf. Sie hatte es geahnt, selbst der Polizist fragte sich, warum Leon sich mit ihr abgab, und nicht mit Stella.
Es dauerte fast zwei Stunden, bis das Team mit Leons Büro fertig war. Danach versiegelten sie die Tür. „Das bedeutet gar nichts“, sagte Guntram Schnitter. „Wir wollen nur sichergehen. Wenn sich herausstellt, dass Herrn Scharfetter wirklich etwas zugestoßen ist, wovon wir jetzt noch nicht ausgehen, dann ist es vorteilhaft, wenn nichts in dem Zimmer verändert wurde. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht in seiner Wohnung befindet?“ Guntram Schnitter sah Irene prüfend an.
„Ich habe dort angerufen. Er geht nicht dran. Ich bin auch hingefahren. Sein Fahrrad ist nicht da, also ist Leon auch nicht oben.“
„Das sollten wir überprüfen. Nun, nun, machen Sie sich man keine Sorgen. Unkraut vergeht nicht.“
Irgendwie glaubte Irene ihm nicht. Sie hatte gesehen, dass die Männer jedes Detail aus allen Richtungen und Blickwinkeln fotografiert hatten. Was würden sie bei einem weiteren Besuch entdecken, was sie jetzt nicht gefunden hatten?
Schnitter hatte bemerkt, dass sie ihm nicht mehr zugehört hatte. „Frau Rugenstein, bitte denken Sie daran, uns sofort zu informieren, falls Herr Scharfetter wieder auftaucht.“
Zu allen gewandt fügte er hinzu: „Mein Kollege, Kriminalhauptkommissar Stefan Ollner, wird in der nächsten Stunde vorbeikommen. Ich muss Sie bitten, auf ihn zu warten.“ Als Oliver etwas sagen wollte, hob er die Hand, um ihn daran zu hindern. „Bitte haben Sie Verständnis dafür. Bis dahin können wir Ihnen auch schon mitteilen, ob er einen Unfall hatte und im Krankenhaus liegt.“
Irene erschrak. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Ein Fahrradunfall. Leon fuhr immer ohne Helm. Vielleicht lag er schwer verletzt auf der Intensivstation. Vielleicht hatte er sogar das Gedächtnis verloren. Dann würden sie ihn nicht finden. Vielleicht sollte sie selbst ins Krankenhaus fahren und nachsehen. Sie sprang auf.
Schnitter legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Bleiben Sie besser hier. Wir finden ihn, auch wenn er an Amnesie leiden
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