Nur ein Katzensprung
Eltern durchmachen? Ich hoffe, dass mir das nie passiert. Ich könnte es nicht aushalten.“
„Kim hat Kofi von ihren Treffen und den Videos erzählt. Ich weiß nicht, ob es ihn interessiert hat. Jedenfalls hat er sich viel Zeit genommen.“
Prüfend betrachtete Irene die Freundin. „Für Kim oder für dich?“
„Für Kim natürlich!“
‚Natürlich‘, dachte Irene.
Sie war sich ganz sicher, Anna hatte sich in den Polizisten verguckt.
Als sie vorhin mit Herrn Ollner gesprochen hatte, war da nicht ein Schwarzer in seiner Nähe gewesen? Sie hatte nicht weiter auf ihn geachtet.
„Ich habe ihn gesehen, deinen Kofi. Auf dem Heimweg am Campe.“
„Meinen Kofi? Er ist zwei Jahre jünger als ich, schon vergessen?“
„Wie alt bist du? 27? Zugegeben, dann ist er noch fast ein Kind und kommt überhaupt nicht in Frage.“
„Kim hat ihm ein Gläschen Kräutersalz aufgeschwatzt.“
„Dann hat er ja morgen einen Grund zurückzukommen.“
„Niemals!“
„Wetten, dass?“
„Irene, sind wir pervers?“
„Wie kommst du jetzt darauf?“ Irene trank einen Schluck Tee. Mit der Zunge angelte sie ein Stückchen Kandiszucker heraus und knabberte daran.
„Wir sitzen hier und reden so oberflächlichen Kram, während da draußen …“ Annas Stimme versagte.
„Ach, Anna! Wir können nichts ändern, gar nichts.“
„Viele sind jetzt noch unterwegs. Sie gehen Patrouille, damit uns nichts passiert. Damit Kim und die anderen Kinder sicher sind.“
„Mir machen sie Angst“, sagte Irene.
„Wieso? Die sind vorbildlich. Sie nehmen Unannehmlichkeiten für die Allgemeinheit in Kauf.“
„Sie rotten sich zusammen, spielen sich auf, fühlen sich stark, wenn sie in kleinen Gruppen unterwegs sind.“
„Davor brauchst du dich doch nicht zu ängstigen. Warum sollten sie dir etwas tun?“, fragte Anna.
„Muss es um mich gehen?“
„Ich verstehe dich nicht.“
Irene schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: „Stell dir vor, jemand setzt sich in den Kopf, dass Kofi etwas mit den Entführungen zu tun hat. Was glaubst du, machen sie mit ihm?“
„Abgesehen davon, dass er garantiert kein Kindermörder ist, habe ich begriffen, was du meinst. Die Polizei wird es nicht so weit kommen lassen.“
„Dein Wort in Gottes Gehörgang.“
Die beiden Frauen saßen sich schweigend gegenüber, jede in ihre Gedanken vertieft. Schließlich erhob Anna sich. „Ich gehe nach Hause, muss morgen früh raus.“
„Bist du zu Fuß hier?“
„Klar, draußen ist es jetzt noch wärmer als im Sommer. Du hast ja den wunderbaren Sternenhimmel gesehen.“
„Soll ich dir ein Taxi bestellen?“
„Wie kommst du auf die Idee? Das sind doch höchstens zwanzig Minuten bis zu meiner Wohnung.“
Irene stand auf. „Kommt nicht in Frage. Ich fahr dich.“
„Spinnst du? Willst du Kim allein lassen?“
„Sie schläft, und ich werde gleich zurück sein.“
Als Irene in die Diele trat, saß Kim schlafend auf der untersten Treppenstufe. Ihre Tochter öffnete die Augen, weil Irene von der Klinke abrutschte und die Tür ins Schloss fallen ließ.
„Warum bist du weggegangen?“, fragte Kim.
Irene setzte sich neben sie auf die Stufe. „Ich habe Anna nach Hause gebracht. Sie sollte nicht allein durch die Dunkelheit gehen. Wieso bist du nicht im Bett geblieben?“
Kim gähnte. „Ich musste dich noch was fragen.“
„Etwas so Wichtiges, dass es nicht Zeit hatte bis morgen früh?“
„Vorhin hatte ich es vergessen. Dann hat der Hund wieder gebellt, und es ist mir eingefallen.“
Irene erhob sich und hängte ihren Mantel an den Haken. Die Schuhe zog sie aus, ohne sich zu bücken, indem sie sie einfach abstreifte. Sie war hundemüde.
Währenddessen redete Kim weiter. „Der Mann hat gesagt, er hat auch Hundebabys. Und er hat gesagt, dass man keine Allergie gegen Hundehaare haben kann, wenn man eine Allergie gegen Katzenhaare hat. Stimmt das, Mama?“
„Kind, was redest du? Was für ein Hund?“
„Stimmt das mit der Allergie?“
Irene seufzte und streichelte ihrer Tochter über den Kopf.
„Ich glaube nicht. Allergisch ist man wegen der Haare. Bei Katzen reagieren manche Menschen sogar noch allergisch, wenn das Tier nicht mehr in der Wohnung lebt. An den Haaren haften Eiweiße, und die lösen sich und schweben auch durch die Luft. Die heißen dann Allergene und machen, dass du niesen musst und rote Augen bekommst.“
„Haben Hunde auch Eiweißhaare?“
„Im Prinzip, ja. Viele Menschen sind gegen Hunde mit kurzen Haaren
Weitere Kostenlose Bücher