Nur ein Katzensprung
das Grundstück zu überprüfen. Sie nahmen sich zuerst den Bereich im Norden vor, wo die Grenze aus einem Wald bestand, der teilweise zum Gut und teilweise zum Staatsforst gehörte. Kofi würde sich mit ihnen dort treffen.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Holzminden
Samstag, 5. November 2011
gegen 14.00 Uhr
48
Anna kochte vor Wut. Was fiel diesem schwarzen Polizeiarsch ein? Paul zu verdächtigen? Ausgerechnet Paul.
„Was guckt ihr mich so an?“
„Du bist wütend.“
„Ach was!“
„Du machst mir Angst“, sagte Paul. „Ich mag es nicht, wenn du herumschreist.“
„Ich weiß, entschuldige.“
„Ich dachte, du magst Kommissar Kofi!“, meinte Kim vorwurfsvoll.
„Im Moment jedenfalls nicht. Los, packt eure Sachen zusammen. Wir müssen los. Auftraggeber lässt man nicht warten.“
„Ich fahre nicht mit“, verkündete Paul. „Ich muss zum THW. Winterreifen aufziehen. Außerdem kann ich den Auftraggeber nicht leiden, überhaupt nicht ein bisschen.“
Anna nutzte die Gelegenheit und informierte Pauls Mutter darüber, dass die Polizei eventuell mit Paul und ihr sprechen wollte. Frau Schreiber erschrak sehr und erkundigte sich, ob er etwas angestellt habe. Doch Anna konnte sie beruhigen. Er wurde nur als Zeuge gebraucht, jedenfalls hoffte sie das. Frau Schreiber sollte sich keine unnötigen Sorgen machen.
Kim saß auf dem Rücksitz in der Mitte und staunte zusammen mit Anna über die dicken Bäume, welche die Einfahrt zum Varieté Ozelot säumten. Da heute keine Veranstaltung anstand, war der große Parkplatz vor dem Haupteingang leer. Anna hielt direkt vor dem Eingang. Sie konnte nicht sagen, was dieses Gebäude früher beherbergt hatte. Die Pferde? Schon möglich.
Sie suchte nach einer Klingel, da öffnete sich das Portal.
„Guten Tag, herzlich willkommen im Varieté Ozelot“, sagte Gregor Körner. Er trug einen Kittel über einer Jeans, den er nicht zugeknöpft hatte, sodass Anna auch das ausgewaschene T-Shirt sehen konnte, das über dem Bauch leicht spannte. Scheinbar hatte er ihren Blick bemerkt. „Ich habe noch längst nicht alle Räumlichkeiten durchforstet. Wenn keine Feiern stattfinden, krame ich immer in den anderen Gebäudeteilen herum. Heute war ich im Keller. Schauen Sie mal, was ich gefunden habe.“
Er zog eine kleine Schachtel aus der Kitteltasche und reichte sie Anna.
Sie nahm sie vorsichtig und drehte sie herum. Trotz des offensichtlichen Alters der Dose waren die Intarsien völlig eben. „Was ist das? Eine Spieluhr?“
„Klappen Sie sie auf. Sie werden es hören.“
„Das ist ‚Für Elise‘, klingt ein wenig, hm, eingerostet.“
„Ich wüsste gern, wem sie gehört hat. Gewiss einer Frau. Wer hat sie ihr geschenkt oder hat sie sich die Dose selbst gekauft, als Andenken? Schade, dass Gegenstände keine Geschichten erzählen können.“
‚Eine hübsche Idee‘, dachte Anna.
Kim schmiegte sich an ihre Hand und fragte: „Darf ich sie auch mal halten?“
Gregor Körner schien Kim erst jetzt zu bemerken. „Wen haben wir denn da?“
„Das ist meine Assistentin, Kim. Sie ist meine Fachfrau für Kindergeschmack.“
Er war eindeutig verblüfft, lachte dann aber laut. „Klingt nach einer verdammt guten Idee. Darf ich Sie hereinbitten, meine Damen?“
Anna und Kim folgten ihm in einen düsteren Saal. Körner schaltete die Deckenlichter an. Gemütlich wirkte das nicht. Der Raum war recht groß, vielleicht fünfzehn Mal zwanzig Meter. Am Kopfende gab es eine kleine Bühne, etwas erhöht, mit einem roten Vorhang, der jetzt auf einer Seite zusammengerafft war. Davor standen runde Tischchen mit Lampen, auf deren Schirmen Nummern aufgedruckt waren. Es roch ein wenig muffig.
„Wo ist der Tisch für das Buffet?“
„Hier drüben!“ Körner dirigierte sie nach rechts. Ein kurzer Tresen grenzte an eine lange Tischplatte an, die mit schwarzem Samt abgedeckt war, der bis auf den Boden reichte.
‚Vermutlich eine Malerplatte‘, dachte Anna.
„Die Küche befindet sich hinter dem Tresen, eignet sich aber nicht wirklich zum Kochen.“
Anna warf nur einen kurzen Blick hinein. Dann prüfte sie die Standfestigkeit des Buffettisches und wunderte sich, als er sich nicht bewegte. Sie hob den Samt an und entdeckte, dass darunter gedrechselte Holzbeine zum Vorschein kamen.
„Die Tische sind leider etwas wurmstichig, so dass ich sie abdecken muss, aber sobald ich sie habe aufarbeiten lassen, werden sie dem Raum Stil verleihen.“
Anna
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