Nur ein Katzensprung
Sie blinzelte ihm verschwörerisch zu. „Die denken, ich bekomme nichts mit, nur weil ich hier zeichne. Dabei höre ich jedes Wort, selbst wenn sie flüstern.“
„Das meiste ist bestimmt schrecklich langweilig.“
„Ja, vor allem wenn sie über Leute reden, die ich nicht kenne.“
Kofi setzte sich zu ihr. „Malst du Etiketten?“
„Ich mache Aufkleber. Anna hat ein neues Kräutersalz gemixt. Es ist rot.“
„Huch, gibt es denn rote Kräuter?“
„Anna sagt ja, aber wahrscheinlich nennen wir es Gewürzsalz, weil Paprikapulver drin ist. Bist du in Anna verliebt?“
Kofi verschüttete beinahe seinen Tee, was nicht das Schlechteste gewesen wäre, denn er schmeckte wie abgestandenes Blumenwasser. „Wie kommst du darauf? Ich wollte eigentlich mit deiner Mama sprechen.“
„Das ist keine Antwort, Mama kommt später vorbei. Ich habe meine Jacke vergessen.“
„Du gehst morgen zum Ballett?“
„Du lenkst ab. Magst du Anna?“
Kofi nickte.
„Du willst nicht drüber reden?“
Kofi nickte wieder und sah prüfend zu Anna. Sie redete noch mit der Kundin.
„Das verstehe ich. Sie mag dich auch.“
Er hätte zu gern gefragt, woher sie das wusste, schwieg aber lieber.
„Das Vortanzen fällt aus, wir üben morgen nur.“
„Tanzt du schon lange?“
„Seit ich drei bin.“ Sie stand auf und stellte sich auf die Zehenspitzen, die Füße direkt nebeneinander. Scheinbar mühelos sprang sie hoch, klappte beide Beine nach oben und wieder herunter, bevor sie auf dem Boden aufkam. „Klappt noch nicht. Eigentlich müsste ich in der fünften Position landen. Bestimmt muss ich den Pas de Chat morgen die ganze Zeit au Milieu üben. Das ist anstrengend.“
„Pas de Chat, au Milieu? Das ist französisch.“
„Ist alles französisch oder italienisch, weil Ballett daher kommt. Das heißt Katzenschritt, dabei stimmt das überhaupt nicht.“
„Was stimmt nicht?“
„So geht doch keine Katze. Die schleichen, und sie können zwar springen, aber nicht senkrecht in die Höhe, und die Beine klappen sie dabei auch nicht ein. Sagt Paul. Ich hab’s noch nicht gesehen.“
Kofi bemerkte, dass Anna die Kundin verabschiedete und zu ihnen herüberkam.
„Wir sprechen gerade über das Ballett. Kim hat mir einen Sprung gezeigt, den sie lernen muss.“
„Schön, schön, was kann ich für dich tun?“
„Kim sagt, du hast ein neues Kräutersalz entwickelt?“
„Zu viel Salz ist ungesund. Magst du nicht zur Abwechslung eine Marmelade mitnehmen, wobei … du könntest natürlich auch vorbeischauen, ohne etwas zu kaufen. Darüber würde ich mich ebenfalls freuen.“
Kofi konnte ein dämliches Grinsen nur mit Mühe unterdrücken. Er freute sich viel zu sehr über ihre Worte. Sie schien ihn wirklich zu mögen.
„Ich suche Kims Mutter.“
„Oh, verstehe. Schade. Tja, sie ist nicht hier.“
„Kommt aber gleich. Sie bringt mir meine Jacke.“
„Der Tee ist lecker“, sagte Kofi.
„Echt?“ Anna schien überrascht. „Die meisten Männer mögen keinen Jasmin-Tee.“
„Ach, das ist Jasmin-Tee. Den gibt´s beim Chinesen.“
„Wo du ihn auch nicht trinkst. Soll ich dir einen Kaffee holen oder einen Cappu?“
„Cappuccino wär’ klasse.“
Sie nahm ihm die Tasse ab und verschwand in ihrer Küche. Er folgte ihr.
„Das ist ja eine richtige Profiküche.“ Er ging am Herd und am Grill entlang. „Alles aus Edelstahl.“
„Das ist heute Vorschrift.“ Sie zog eine Schublade auf. „Und hier bewahre ich die Mordwerkzeuge auf.“
Er nahm eines der großen Messer in die Hand. „Besteht das aus Damaszener Stahl?“
„Ein Kai-Shun-Messer, ja. Das erkennt man am Logo.“
„Liegt gut in der Hand.“
„Dafür sind sie berühmt. Ermüdungsfreies Arbeiten.“
Kofi legte das Messer zurück. „Wahrscheinlich hat es bisher nur Möhren und Paprikaschoten ermordet.“
„Och, das eine oder andere Filet war schon darunter.“
Sie standen so dicht nebeneinander, dass Kofi die kurzen Härchen in ihrem Nacken sehen konnte. Sie duftete gut, nach Lavendel? Jedenfalls zart.
„Wollen wir zusammen etwas trinken gehen, wenn ich für heute fertig bin und du von deiner Besprechung zurück bist?“
„Gerne, rufst du mich an?“
Die Ladenklingel läutete, als er ihre Handynummer speicherte.
Sie lief nach vorn. „Hallo, Irene. Kommissar Kayi ist hier und möchte dich gern sprechen.“
Er trat hinter Anna vor den Tresen und erwartete, dass Kim ein Bemerkung machen würde. Mutter und Tochter sahen sich jedoch nur
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