Nur ein kleiner Sommerflirt
zugezogen, sodass es ein wenig düster ist, aber ich finde es ideal so, weil ich nicht will, dass die Welt da draußen irgendetwas von unserem Gespräch mitbekommt.
»Hi, Safta . Ich bin Amy«, sage ich. Meine Stimme überschlägt sich bei diesen Worten und ich komme mir ein wenig albern vor.
Sie nickt und klopft neben sich auf die Bettkante. »Komm her, Amy. Setz dich zu mir.«
Mit langsamen, kleinen Schritten gehe ich zu ihrem Bett und lasse mich behutsam nieder. Zu meiner Überraschung nimmt sie meine Hand.
»Bist du wirklich krank?«, frage ich leise.
»Das wird schon wieder. Du kennst doch die Ärzte. Machen immer viel Wirbel um nichts.«
»Ron denkt, dass du ziemlich krank bist«, sage ich und würde es im nächsten Moment am liebsten zurücknehmen.
Sie schüttelt den Kopf. »Dein Vater sollte mal seinen cup untersuchen lassen. Das ist Jiddisch und bedeutet ›Kopf‹. Stell dir das mal vor, mir meine Enkelin sechzehn Jahre lang vorzuenthalten.«
»Stimmt«, tute ich ins selbe Horn. Ich mag Safta auf Anhieb.
»Wie ist deine Mutter so?«, wechselt sie das Thema.
Wie soll ich Mom beschreiben?
»Sie ist hübsch für eine Mutter. Und sie hat einen Beruf, in dem sie gut verdient. Viele Freunde hat sie aber nicht, weil sie ständig arbeitet.«
Ich beobachte, wie Safta all das aufnimmt.
»Und erzähl mir was von dir.«
»In der Schule läuft’s ganz okay. Meine beste Freundin heißt Jessica … sie ist Jüdin«, füge ich hinzu, um irgendeine Verbindung zu Safta herzustellen , auch in religiöser Hinsicht. »Und ich spiele Tennis, fahre Ski und gehe gern shoppen.«
Sie nickt. »Ich freue mich schon darauf, dich besser kennenzulernen, Amy. Du bist so voller Energie – das mag ich.«
»Ich sollte vielleicht noch sagen, dass ich nicht immer die positivste Einstellung habe«, murmle ich und beiße mir auf die Unterlippe. Früher oder später wird sie das sowieso herausfinden, ich kann es also auch gleich offen zugeben.
»Vielleicht ändert sich das ja durch deinen Aufenthalt hier.«
Das wage ich zu bezweifeln, sage aber: »Schon möglich«, nur damit sie denkt, ich wäre bereit, auf dieser Reise meine Lebenseinstellung zu ändern.
»In deinem Alter war ich wie du«, sagt sie.
»Wieso? Warst du auch unehelich?«
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf und hält noch immer meine Hand. »Aber meine Familie hat damals eine harte Zeit durchgemacht und ein paar Jahre lang hatten wir kein Zuhause.«
»Wo habt ihr gewohnt?«
»Am Strand. Aber das ist lang her. Das Leben hält immer dann etwas Neues für einen bereit, wenn man es am wenigsten erwartet.«
Während ich diese Informationen sacken lasse, schlägt Safta mir vor, mich ein bisschen auszuruhen und auszupacken. Dabei lächelt sie mich an, als wäre sie schon immer meine Großmutter gewesen.
Ich kann ihr nicht die Schuld daran geben, dass sie die letzten sechzehn Jahre nicht für mich da war. Die arme Frau hat nicht mal gewusst, dass es mich gibt.
»Wo ist mein Koffer?«, frage ich Ron nach meinem aufschlussreichen Gespräch mit Safta .
»In O’snots Zimmer.«
Ich muss mich verhört haben. Es kann nicht anders sein. »Du nimmst mich auf den Arm, oder?«
»Hier gibt es nicht so viele Zimmer«, erklärt ME. »Du wirst bei O ’snot schlafen und ich bekomme das Sofa.«
»Was ist mit dem Kleinen?«
»Matan? Er schläft bei seinen Eltern.«
Ich will gerade vorschlagen, dass ich auf dem Boden schlafen könnte, da sehe ich drei Ameisen über die Fliesen krabbeln. Widerlich. Und als ich zu Doda Yucky hinüberschaue, macht sie so ein mitfühlendes Gesicht, als wäre ihr mein Wohlbefinden wichtiger als sechs Richtige im Lotto.
Ich lächle ihr schwach zu, was offenbar funktioniert, denn sie verschwindet in der Küche und summt ein fröhliches Lied vor sich hin.
Aber jetzt mal im Ernst, wenn es etwas gibt, was man in meinem Alter wirklich braucht, dann ist es Privatsphäre. Kann ich hingehen und O’snot bitten, dass sie das Zimmer verlassen soll? Genau genommen ist es IHR Zimmer, also wird das kaum gehen. Gott sei Dank bin ich kein Zwilling. In meiner Schule gibt es Zwillinge: Marlene und Darlene. Die müssen sich das Zimmer nicht nur zu zweit teilen, sondern auch noch mit ihrer großen Schwester Charlene. Fragt nicht.
ME führt mich zu einem Raum im hinteren Teil des Hauses. Als ich eintrete, sitzt Snotty gerade auf dem Bett und schminkt sich. Obwohl sie genau weiß, dass ich da bin, würdigt sie mich keines Blickes.
Mein Erzeuger steht neben mir.
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