Nur ein kleiner Sommerflirt
»Brauchst du Hilfe?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, nicht nötig.«
Das nimmt er als sein Stichwort abzutreten. Mir wäre lieber gewesen, er wäre noch dageblieben – als Puffer zwischen mir und Snotty.
»Hör mal, das mit deinem Freund tut mir leid«, sage ich.
Sie blickt auf, und ich sehe, dass sie es mit dem Augen-Make-up übertrieben hat. Als hätte sie ihre Augen mit Kohle umrandet. Jetzt sieht meine Cousine aus, als wäre sie mindestens zwanzig. Wie alt ist sie überhaupt? Sie könnte jedenfalls dringend eine Schminkberatung vertragen.
Meine Mutter hat unter ihren Auftraggebern eine Kosmetikfirma. Ich habe bei einem Shooting für die Teenager-Linie Modell gestanden. Da habe ich eine Menge darüber gelernt, wie man mit dem richtigen Make-up seine Vorzüge am besten zur Geltung bringt, statt so vollgepampt und düster auszusehen wie Snotty. Nachdem mein Foto in fast allen Teenie-Magazinen abgebildet war, haben meine Freundinnen mich zum Make-up-Guru auserkoren.
Ich gehe zu meinem Koffer auf dem Bett, das die nächsten drei Monate wohl meines sein wird, und nehme ein paar Sachen zum Umziehen heraus, die nicht voller Matsch und Heu sind.
»Avi ist nicht mein Freund.«
Spricht Snotty gerade wirklich mit mir oder spielt meine Fantasie mir einen Streich?
Ich drehe mich zu meiner Cousine um. »Was?«
Sie sieht mich aus ihren kohlrabenschwarz umrandeten Zielscheibenaugen an. »Ich habe keinen Freund.«
Ich ziehe eine rote Shorts aus meinem Koffer. Quer über den Hintern ist in großen weißen Buchstaben das Wort BITCH aufgedruckt. Ein Scherzgeschenk von Jessica zum Geburtstag. Als richtiges Geschenk habe ich noch ein Fußkettchen von ihr bekommen. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Shorts mal tragen würde, aber ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal auf einem Bauernhof auf einem Berg mitten in einem Kriegsgebiet landen würde.
Aber, um ganz ehrlich zu sein, Israel fühlt sich eigentlich gar nicht wie ein Kriegsgebiet an und sieht auch nicht so aus. Na gut, bis auf die schwer bewaffneten Wachen am Flughafen und das Minenfeld, das ich heute fast betreten hätte.
Ich betrachte meine Shorts, die ich nur deshalb eingepackt habe, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass hier irgendjemand Englisch spricht. Einen Moment lang bin ich in Versuchung, sie Snotty anzubieten, aber stattdessen frage ich: »Hat Avi eine Freundin?«
Mist, wenn ich nicht vor Ekel würgen müsste, würde ich mir am liebsten den Fuß in den Mund stopfen. Es ist mir völlig egal, ob der Typ eine Freundin hat oder nicht. Warum stehe ich überhaupt hier und frage Snotty über ihn aus?
Manchmal plappert mein Mund einfach drauflos. Und dann auch noch so Zeug, das ich gar nicht sagen wollte.
Aber es kommt noch schlimmer: Meine Cousine übergeht meine Frage einfach, und obwohl ich sie gar nicht stellen wollte, bin ich nun natürlich noch viel neugieriger auf die Antwort. Aber ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als noch mal nachzuhaken. Snotty hat schon genug Gerüchte in die Welt gesetzt, von wegen ich hätte mit dem Typ rumgemacht. Es wäre total grottig, wenn sie auf die Idee käme, dass mich sein Beziehungsstatus wirklich interessiert.
Ich lege meine Klamotten aufs Bett und gehe in das einzige Badezimmer im ganzen Haus. Dabei versuche ich, nicht darüber nachzudenken, dass ich die nächsten drei Monate mit sieben Personen in einem Haus mit nur einem Badezimmer verbringen werde. Gruselig, oder? Zu Hause haben wir drei Bäder … und da wohnen nur Mom und ich (und manchmal Marc mit »c«, wenn er über Nacht bleibt).
Ich habe eine Freundin namens Emily, die zwanghaft an allem riechen muss. Wenn sie was isst, schnüffelt sie erst jeden einzelnen Bissen an, bevor sie ihn in den Mund schiebt. Ich esse absolut ungern mit ihr, weil mir das Schnüffel-Mampf-Schnüffel-Mampf-Schnüffel-Mampf voll auf den Zeiger geht. Und wenn ich gereizt bin, bin ich echt eine Zumutung für die Menschheit – außer für Jessica vielleicht.
Als ich das Bad betrete und die Gerüche checke, zeigt mein Kotzometer bis auf meine eigenen Ausdünstungen so gut wie nichts an. Echt, Emily hätte heute ihre pure Freude an mir.
Ich kann es kaum mehr erwarten, mich endlich frisch zu machen. Wenn ich daran denke, wie lange meine letzte Dusche zurückliegt, wird mir ganz anders.
Ich schließe die Badezimmertür und suche an der Türklinke nach einem Schloss. Aber da ist keins. Nur ein Loch, als wäre dort früher mal eins gewesen.
Das ist nicht witzig. In
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