Nur ein kleiner Sommerflirt
sie, während ich ihrer Stimme lausche. Sie ist Balsam für meine Seele, und wenn sie spricht, klingt es fast wie ein Schlaflied. Ich bin laut. Meine Mom ist laut. Ich rede laut. Ich laufe laut. Ich bin einfach ein lauter Mensch. Aber diese alte Frau ist wie Watte – alles an ihr ist weich und leise. Sie beugt sich zur Seite und zieht etwas aus ihrer Tasche.
»Mach mal die Hand auf.«
Ich mache die Hand auf. Sie legt etwas hinein und schließt behutsam meine Finger darum.
»Was ist das?«, frage ich.
»Sieh es dir an.«
Ich öffne meine Faust. Auf meiner Handfläche funkelt ein winziger Davidstern aus Gold und Diamanten, der an einem dünnen goldenen Kettchen hängt. Der Stern ist kleiner als eine Fünf-Cent-Münze, gerade groß genug, um zu erkennen, was es ist, aber klein genug, um irgendwie … sehr privat zu sein.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Ich bin keine Jüdin. Mom ist nicht religiös, weshalb ich außer bei der Hochzeit meiner Cousine nie in der Kirche war. Eine Synagoge habe ich nur einmal betreten, nämlich bei Jessicas Bat-Mitzwa.
»Ich möchte, dass du ihn hast«, sagt Safta . »Man nennt ihn Magen David , den Davidstern.«
Und wie ich den will. Keine Ahnung, warum, aber es ist so. Allerdings bin ich eben keine Jüdin und käme mir wie eine Heuchlerin vor, wenn ich ihn annehmen würde. Ich könnte ihn schließlich nie tragen. Er glänzt und glitzert so schön und er bedeutet Safta viel.
»Das kann ich nicht annehmen«, sage ich. Als ich die Enttäuschung in diesen Augen, die meinen so unglaublich ähnlich sind, sehe, füge ich hinzu: »Es ist viel zu schön.«
»Das ist nicht alles, oder?«
Woher weiß sie das?
»Ich bin keine Jüdin«, sage ich und stehe auf.
Ich kann ihr nicht in die Augen schauen. Wenn ich es täte, würde ich vielleicht die Enttäuschung darüber sehen, dass ihre Enkelin keine Jüdin ist. Ich habe keine Ahnung, was Israelis von Nicht-Juden halten. Aus irgendeinem Grund möchte ich lieber nicht wissen, ob sie mir das übel nimmt. Weil ich Safta mag. Sehr.
»Sieh mich an, meine liebe Amy.«
Ich? Lieb? Ich hebe den Blick und schaue ihr direkt in die Augen.
Sie lächelt, sodass die Falten um ihre Augen zu tiefen Furchen werden, und nimmt meine Hand – die, die noch immer die Kette mit dem kleinen Davidstern-Anhänger hält.
»Jude zu sein, ist eher eine Sache des Herzens als des Verstandes. Für manche bedeutet ihr Glaube, strikt die Gebote und Bräuche unserer Vorfahren zu befolgen. Für andere, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Religion ist etwas sehr Persönliches. Sie ist immer für dich da, wenn du dafür offen bist oder sie brauchst. Es liegt an dir, ob du dich darauf einlässt oder beschließt, dass in deinem Leben kein Platz dafür ist. Niemand kann dir eine Religion aufzwingen, sonst ist es nicht wahrhaftig.«
Ich sehe auf die Kette in meiner Hand hinunter. »Darf ich sie behalten? Nur eine Weile? Ich gebe sie dir zurück, versprochen.«
Sie tätschelt mir den Kopf. »Ich habe mich immer darüber gewundert, dass mein Sohn nicht wieder nach Israel zurückkehrt, aber ich sehe, wie er dich anschaut. Er will dich beschützen, dich vor Schaden bewahren, während er zugleich versucht, dieses Feuer, das in dir brennt, zu respektieren. Es ist echt und kommt von Herzen. Nimm die Kette«, sagt sie und zögert kurz, ehe sie hinzufügt: »So lange, wie du willst.«
Dieser Frau, die Dinge sagt, die meine Welt auf den Kopf stellen, in die Augen zu sehen, bringt mich ganz durcheinander. Ich schließe die Finger um die Kette in meiner Hand. Dann drehe ich mich um und gehe zum Kühlschrank, um mir ein Wasser zu holen. Obwohl es direkt vor meiner Nase steht, als ich die Tür öffne, sind meine Gliedmaßen wie gelähmt.
Ich mache den Kühlschrank wieder zu und lächle Safta an. »Ich glaube, ich mache einen Spaziergang«, sage ich und verlasse das Haus.
Ich werfe noch einen Blick auf die Kette, ehe ich sie behutsam in die Gesäßtasche meiner Hose gleiten lasse.
Unbewusst schlage ich den Weg zu den Schafen ein. Als ich mich dem Pferch nähere, kommt der Ferragamo-Dieb auf mich zugesprungen. Er wedelt aufgeregt mit seinem dreckigen Schwanz und fächelt damit sein Hinterteil. Beim Gedanken an die Schlangenmatsche, die durch meine Zehen gequollen ist, laufe ich direkt an dem Hund vorbei und ignoriere seine armseligen Versöhnungsversuche.
»Ärg!«
Ich sehe hinunter auf das Vieh. »Selber ärg. Wo ist meine Sandale?«
»Ärg!« Wedel. »Ärg!« Wedel.
Er trabt in
Weitere Kostenlose Bücher