Nur ein kleines Bischen
trainieren.
Komm rüber, wir helfen dir hoch.«
Cait starrt sie mit geweiteten Augen an. Das ist das Letzte, was sie jetzt will, dass sie sie berühren. Ich wünschte, ich könnte sie für einen Augenblick beiseitenehmen. Sie dahingehend beruhigen, dass die Mädchen keine Ahnung haben, dass sie gesehen hat, was sie gesehen hat. Ihr sagen, dass sie vollkommen sicher ist, bis zum nächsten Vollmond. Und bis dahin werde ich eine Möglichkeit gefunden haben, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. (Ich bin so was von
zuversichtlich, hm?) »Na los Cait« dränge ich sie. Sie sieht mich an und ihr Gesicht ist kalkweiß. Dann schüttelt sie nachdrücklich den Kopf.
»Ich - ich kann es nicht!«, flüstert sie mir zu. »Ich denke die ganze Zeit, dass sie ...«
»Komm schon, Cait! Wir beißen nicht!«, neckt
Shantel sie.
Cait wirft mir einen weiteren flehentlichen, verängs-tigten Blick zu, dann läuft sie schnurstracks auf die Umkleidekabine zu. Die anderen Cheerleader stöhnen und springen von ihrer Pyramide.
»Was zum Teufel ist los mit ihr?«, fragt Mandy und funkelt mich anklagend an. Sie ist offensichtlich immer noch sauer, dass ich sie dazu erpresst habe, Cait überhaupt in die Truppe aufzunehmen. Obwohl sie mittlerweile begriffen haben muss, dass Cait
unheimlich gut ist - eine große Bereicherung und mit Abstand die beste Athletin im Team. Das heißt, wenn sie nicht gerade Todesängste aussteht. Ich meine, man muss in diesem Fall Nachsicht mit dem Mädchen üben. Aber Mandy hat natürlich keine Ahnung. »Wir
haben nächste Woche ein Spiel und wir haben noch
viel Arbeit vor uns, um uns darauf vorzubereiten.
Diese Cheers rufen sich nämlich nicht von selbst. Und wir können es uns nicht leisten, Mädchen im Team zu haben, die es nicht ernst nehmen, ein Wolf zu sein.«
Das Wolfsrudel - ähm, die Truppe nickt einmütig.
»Warum haben wir sie überhaupt ausgesucht?«, fragt eins der Mädchen.
»Ja, sie sieht nicht mal gut aus.«
»Oh, bitte, sie ist die Beste im Team und ihr alle wisst es«, werfe ich ein. »Und sie hat mit großer Hingabe trainiert, seit sie dabei ist. Also hat sie eben einen schlechten Tag. Gebt dem Mädchen eben eine Chance.«
Zur Antwort bekomme ich widerstrebende, gegrum—
melte Zustimmung. Gut.
»Hm, ich werde mit ihr reden«, sagt Mandy. »Und
feststellen, was los ist.«
»Lass mich das tun«, erkläre ich hastig. Cait sollte jetzt nicht in einer Umkleidekabine mit jemandem eingeschlossen sein, von dem sie glaubt, ihm würden jeden Augenblick Reißzähne und Klauen wachsen.
»Ich werde sie beruhigen.«
»Schön. Aber kommt schnell zurück. Wir müssen
heute Nachmittag noch viel geschafft kriegen.«
Ich nicke und gehe energischen Schritts auf die Tür der Umkleide zu, bereit, die arme Cait zu trösten. Sie muss halb verrückt vor Angst sein. Ich erinnere mich daran, wie schwer es Sunny gefallen ist zu verdauen, dass es wirklich Vampire gibt und sie sich binnen einer Woche selbst in einen verwandeln würde. Es ist erstaunlich, dass manche Leute ihr ganzes Leben leben können, ohne auch nur die geringste Ahnung
von dem zu haben, was sich unter der oberflächlichen Realität unserer Welt verbirgt. Aber sobald man die Wahrheit herausgefunden hat, gibt es kein Zurück mehr.
Ich drücke die Tür auf und werde einmal mehr von
dem Geruch nach frischem Blut überwältigt. Ich
krümme mich, stützte die Hände auf die Knie,
versuche, wieder zu Atem zu kommen, und beherrsche meinen fast unbezähmbaren Drang, zu der Quelle des Blutes hinüberzulaufen und mich darüber herzu-machen. Der Durst verzehrt mich: Meine Kehle ist plötzlich so trocken wie eine Kirchentanzgruppe und meine Nase will dem Geruch nachgehen. Jareth hat mich davor gewarnt. Je länger ich darauf verzichte, richtiges Blut zu trinken, umso größere Macht wird es über mich haben. Aber so schlimm wie diesmal war es noch nie.
Ich schaffe es, einige flache Atemzüge durch den
Mund zu machen, wie man es uns im Schnellkurs Blut gelehrt hat, und schlucke heftig, bevor ich mich wieder aufrichte.
Es geht mir gut. Ich kann die Blutgier beherrschen.
Sie hat keine echte Macht über mich.
Ich stolpere zu meinem Schließfach hinüber, wo ich einen Geheimvorrat an Kunstblut aufbewahre. Ich fummle an dem Kombinationsschloss herum, reiße die Tür auf und greife mir die Sportflasche. Ich kippe das unechte Blut herunter und frohlocke, als die dicke rote Flüssigkeit meine Kehle hinunterrinnt und in meinen Magen gelangt. Ah, viel
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