Nur ein Kuss von dir
sprechen.« Ich hob die Hand, um nach seiner Wange zu tasten, wo ich nur die Andeutung eines Widerstands in der Luft fand, sah aber im Spiegel, wie meine Finger darüberstrichen. Er hob leicht den Kopf, und seine Augen, von der Kapuze beschattet, richteten sich auf meine.
»Weißt du, ich kann dir nichts vorwerfen. Ich meine, so, wie es ist, kannst du ja nicht viel mit mir anfangen.« Seine Stimme klang plötzlich ganz bitter.
»Darüber haben wir doch schon oft gesprochen«, sagte ich so geduldig wie möglich. »Das macht mir nichts. Meine ganze Lieblingsband könnte komplett hier vor mir stehen und darum flehen, dass ich mit ihnen ginge, aber ich wäre nicht interessiert. Ich liebe dich, Callum. Dich und wirklich nur dich.«
»Ich weiß, aber das kann doch nicht ewig andauern, oder? Im Ernst. So können wir auf die Dauer keine Beziehung haben, wenn wir nicht in der Lage sind, uns richtig zu sehen oder zu berühren!«
»Warum nicht? Ich weiß, dass es nicht ideal ist, so wie es jetzt ist«, ich schwenkte meine Hand, um das zu unterstreichen, »aber wir haben die Goldene Galerie! Dort bist du für mich so wirklich wie jeder andere sonst auch auf diesem Planeten!« Ich unterbrach mich, um Luft zu holen, und als ich über diese Worte nachdachte, wurde ich wütend. »Und überhaupt, woher kannst du denn wissen, was ich will?«
»Ich weiß, was du denkst und dass du es willst. Aber gilt das auch noch in einem Jahr? In zwei? In drei Jahren? Wenn du Kinder haben möchtest? Was ist dann?«
»Meine Güte, ich bin erst siebzehn! Über all das mache ich mir doch jetzt noch keine Gedanken!«
»Genau.« Seine Stimme war plötzlich ganz leise. »Du bist erst siebzehn. Du solltest mit Grace, Jack und all deinen anderen Freunden unterwegs sein und sie deinem neuen Freund Max vorstellen.«
»Oh, bitte«, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihm. »Ich kann doch gar nicht gewinnen, oder? Du hast entschieden, dass du nicht gut für mich bist. Verlässt du mich jetzt? Ist es so?«
»Hör auf damit, Alex. Sei nicht so dramatisch.«
»Ich?«, schrie ich ihn an. »Ich? Du bist es, der alles ganz falsch verstanden hat. Wir können es so hinkriegen, dass es funktioniert!«
»Wirklich? Und wie genau soll das passieren? Werden wir glücklich bis ans Ende unserer Tage miteinander leben? Hast du jemanden gefunden, der bereit ist zu sterben, damit ich aufhören kann, ein Versunkener zu sein, ja?«
»Natürlich nicht.«
»Also, wie sollen wir es dann hinkriegen? Du weißt doch gar nicht, wovon du redest!«
»Oh, doch, das tue ich! Ich kann dich jetzt rüberholen – wann immer ich will.«
Als wir beide begriffen, was ich gesagt hatte, entstand ein plötzliches Schweigen, und mir blieb vor Überraschung der Mund offen stehen.
»Wie bitte?«, fragte Callum sanft. »Erklär mir das, Alex. Was meinst du damit?«
Kleinlaut schaute ich zu ihm hoch. »Tut mir leid. Ich wollte erst ganz sicher sein, bevor ich es dir sagte. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen.«
»Ganz sicher sein weswegen?«
Ich holte tief Luft und blickte ihm in das schöne zerquälte Gesicht. Plötzlich nahm ich die Vögel wahr, die im Sonnenschein des späten Nachmittags in dem verlassenen Park zwitscherten. Alles war so normal und alltäglich, doch was ich zu sagen hatte, war alles andere als das. Ich schaute in seine tiefen blauen Augen und wollte unbedingt, dass er mir glaubte.
»Als Lucas verschwand, geschah das nicht, weil er genügend von Robs Erinnerungen gestohlen hatte, sondern weil ich ihn gestoppt hatte. Ich bin richtig wütend geworden, und die Kraft in meinem Amulett ist irgendwie in dem Moment herausgeströmt, als ich es gegen seins gestoßen hab. Ich hab nicht gewusst, was ich da tat, ich wollte ihn einfach daran hindern, Rob umzubringen.«
Nun war Callum an der Reihe, mit vor Überraschung offenem Mund dazusitzen. Dann machte er ihn ein paar Mal auf und zu, bevor er wieder in der Lage war zu sprechen. »Du hast Lucas gestoppt? Mit dem Amulett?«
Ich nickte schnell. »Das war eindeutig ich. Aber ich muss noch herausfinden, was nach seinem Verschwinden passiert ist. Wenn er so wie Catherine unverletzt im Fluss wieder aufgetaucht ist, dann kann ich dasselbe auch mit dir machen. Aber das kann ich nicht riskieren, ehe ich mir nicht ganz sicher bin.«
»Warum hast du mir das nicht alles schon früher erzählt?« Callums Stimme klang unerwartet scharf.
»Ich wollte eben ganz sicher sein, das ist alles. Es kam mir zu grausam vor, es
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