Nur ein Kuss von dir
Zusammenstoßes mit Catherine zu kämpfen, der noch gar nicht so lange zurücklag.
Ich setzte mich an den Tisch und beobachtete, wie sich die Gestalt langsam neben mir in Position brachte, wobei sie ihre Identität durch ständig wiederholte Handbewegungen preisgab: Olivia klinkte immer wieder Daumen und Zeigefinger beider Hände ineinander, wenn sie nervös war. Ich musste genau hinsehen und dauernd den Arm bewegen, um den Kontakt mit ihr aufrechtzuerhalten. Schließlich warf sie die Kapuze zurück. Ich war auf ein Begrüßungslächeln gefasst und hatte nicht erwartet, sie so am Boden zerstört zu sehen.
»Olivia? Was in aller Welt ist los? Geht es dir gut?«
»Es ist wegen Callum. Er ist in einer echt schlechten Verfassung, Alex. Was ist passiert? Bitte erzähl es mir.«
»Was meinst du mit in echt schlechter Verfassung?«
»So hab ich ihn noch nie zuvor gesehen. Er ist total niedergeschlagen. Ich hab gedacht, er wäre glücklich, weil du zurückgekommen bist, denn davon hatte er immer wieder gesprochen. Aber jetzt ist er in einer schrecklichen Stimmung.«
Schuldgefühle schlugen wieder über mir zusammen. »Das ist kompliziert, Olivia. Er hat eine Sache völlig falsch verstanden, das ist alles.«
Ohne viel rumzureden, kam sie sofort zum Kern des Problems. »Hast du in den Ferien einen anderen gefunden? Hast du mit Callum Schluss gemacht?«
»Nein, das hab ich absolut nicht«, gab ich schnell zurück und fragte mich, seit wann sie so scharfsinnig war. Immerhin war sie doch noch ein Kind.
»Gut, aber vielleicht denkt er, du hättest?«
Ich merkte, dass ich ihr das nicht erklären konnte, das wäre Callum gegenüber nicht anständig gewesen. »Ich bin sicher, dass er das nicht denkt, Olivia. Wahrscheinlich hat er heute noch zu wenig gesammelt, weil er am Flughafen rumgehangen und auf mich gewartet hat. Du weißt doch, wie er ist.«
Olivia zuckte auf eine Art mit den Schultern, die zeigte, dass sie mir nur widerwillig recht gab. Ihre Unterlippe bebte.
»Bitte, reg dich doch nicht so auf«, drängte ich und blickte in ihr unglückliches Gesicht. »Es ist wirklich nicht so schlimm. Und außerdem, wann hast du denn zuletzt gesammelt?«
»Hm, heute Morgen ein bisschen.« Sie schluchzte auf und versuchte krampfhaft, nicht zu weinen.
»Seitdem nicht mehr? Auch nicht heute Nachmittag?« Sie schüttelte den Kopf und hielt den Blick zu Boden gerichtet.
»Das ist nicht genug«, ermahnte ich sie sanft. »Du musst mehr sammeln. Denkst du daran, was dir Callum immer sagt? Du musst dein Amulett immer richtig gefüllt haben, erst recht, wenn du dich nicht so besonders gut fühlst.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Ich hab auch noch immer das ganze Zeug von Catherine im Kopf, mit dem ich mich rumschlagen muss.«
»Oh, Olivia! Und ich hatte gehofft, das hättest du inzwischen überwunden.«
Sie schüttelte leicht den Kopf. »Keine Chance. Das bleibt ewig an mir kleben.«
Als Catherine aufgetaucht war und anfing, mich zu quälen, hatte ihr Olivia irgendwelche höchst wichtigen Erinnerungen gestohlen. Darüber war Catherine furchtbar wütend geworden und hatte geschworen, mir das Leben zur Hölle zu machen. Das war ihr auch gelungen. Olivia wusste, dass das ihre Schuld war und dass diese gestohlenen Erinnerungen von entscheidender Bedeutung waren. Sie hätten mir helfen können, die Versunkenen zu retten. Doch sobald Olivia sie sich genommen hatte, waren sie weg, unwiederbringlich verloren. Und schlimmer noch, Olivia war von der schieren Bösartigkeit dieser Erinnerungen regelrecht verseucht worden. Seitdem kämpfte sie gegen eine Depression an, die dadurch entstanden war und drohte, sie zu überwältigen. Ich fühlte mich schuldig und verantwortlich und wünschte aus tiefster Seele, ihr helfen zu können.
»Du musst losgehen und sammeln, Olivia, und ich meine, das solltest du gleich machen.«
»Das könnte ich schon«, stimmte sie fast schon gereizt zu.
»Ich nehme an, Callum ist beim Kino. Da findest du ihn bestimmt und kannst später mit ihm wiederkommen.« Ich lächelte sie kurz an, wollte es aber auch nicht übertreiben.
»Alles klar, ich gehe. Ich weiß ja, dass ich das tun muss.«
»Du kommst aber doch bestimmt zurück, oder? Du musst schon glauben, dass zwischen Callum und mir alles in Ordnung ist. Wir hatten nur ein bisschen Streit. Das ist alles. So was passiert schon mal.« Ich zuckte mit den Schultern, als ich das sagte, und versuchte, die ganze Sache nicht allzu schwer zu nehmen.
Sie richtete, ohne
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