Nur ein Kuss von dir
schon schreien musste, damit sie mich verstand.
»Ist ein bisschen wild hier«, rief ich, während ich langsam weiterging und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Catherine beachtete mich gar nicht. Ihr Blick folgte den Schafen, die jetzt den Weg über den Klippen entlangrannten. Die violette Wolke um Catherine pulsierte, als wäre sie lebendig. Als ich bis auf Armeslänge an sie herangekommen war, drehte sie sich zu mir und starrte mich an. »Ich springe nicht, keine Angst.«
»Das hab ich auch nicht angenommen. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gutgeht.« Dabei hoffte ich, dass sie nicht hören konnte, wie mein Herz nach dem Sprint den Hügel hinauf hämmerte.
»Ich liebe deine plötzliche Fürsorge! Von dem Augenblick an, seitdem du weißt, dass ich bereit bin zu helfen, hängst du an mir wie ein Hautausschlag.«
Ich hob die Augenbrauen. »Ich sehe es lieber so, dass ich meine Kapitalanlage schütze. Reden wir doch Klartext, Catherine. Wir werden uns nie mögen, und dieser kleine Waffenstillstand wird nur so lange dauern, bis wir beide bekommen, was wir abgemacht haben. Siehst du das auch so?«
Sie nickte kurz.
»Und bis dahin habe ich keinen Bock auf deinen ewigen Sarkasmus. Wir haben eine lange Fahrt vor uns, und die wird viel schneller gehen, wenn wir uns benehmen wie zivilisierte Menschen.«
Die violette Wolke pulsierte plötzlich mit einem wütenden Rot, doch ich wich nicht von der Stelle. »Waffenstillstand?«, fragte ich und streckte die Hand aus, immer noch darauf versessen, von der Kante wegzukommen. Es würde zu ihr passen, dass sie sprang, nur um mich zu ärgern.
Catherine versenkte ihre Hände tief in den Taschen ihres formlosen Cardigans, aber sie drehte sich um und ging einen Schritt auf mich zu. Endlich sah sie mich an. »Übertreib’s nicht!«, knurrte sie im Vorbeigehen. »Das Beste, was dir passieren kann, ist, dass ich dich ignoriere«, rief sie über die Schulter, während sie zurück zum Haus stolzierte.
Ich seufzte erleichtert und ging hinter ihr her.
16. Fahrgast
Catherine hielt, was sie versprochen hatte. Bewegungslos saß sie in der Küche, während Grace und ich die Spuren unserer spontanen Übernachtung beseitigten. Mir war es wichtig, dass nichts mehr davon zu sehen war, wenn Robs Familie auftauchte. Es dauerte nicht lange, aber als wir fertig waren, hätte ich vor Hunger brüllen können. Doch im Haus gab es absolut nichts zu essen.
»Ich rede mit ihr«, flüsterte Grace, als wir unsere Rucksäcke im Flur abstellten, bereit aufzubrechen. »Irgendwo muss sie doch gegessen haben. Pack du das Auto, während ich sie frage.«
Als ich die Haustür aufmachte, hörte ich Gemurmel, und noch ehe ich das Gepäck im Kofferraum verstaut hatte, kamen Grace und Catherine aus dem Haus. Catherine schloss ab, gab den Code für den kleinen gesicherten Kasten ein und hinterließ dort den Schlüssel. Dann stiefelte sie zum Auto und setzte sich ohne ein Wort auf den Rücksitz.
»Offenbar hat Catherine im Hotel gegessen, aber unten am Strand finden wir sicher etwas viel Billigeres.« Weiter vorne auf der Hauptstraße war die glänzende Art-déco-Fassade des Hotels zu sehen, und selbst aus dieser Entfernung war klar, dass es keine preisgünstige Wahl wäre.
»Strand, würde ich sagen. Es wäre sowieso schön, ihn mal zu sehen, bevor wir abfahren.«
»Gute Idee«, meinte Grace, legte den ersten Gang ein, und wir verließen die kleine Sackgasse.
Die Straße zum Strand runter war gewunden und zu dieser frühen Stunde erstaunlich voll. Als wir um die Kurve bogen, sahen wir auch, warum: Nach links erstreckte sich der Strand unermesslich weit, und draußen auf dem Wasser lungerten ganze Reihen von Surfern, die auf die nächste Welle warteten. Es gab einen großen Parkplatz, in den Grace schnell einbog, um einen der wenigen freien Stellplätze zu erwischen. Cafébars und Surferläden schienen glänzend zu laufen, und Dutzende von Menschen in Neoprenanzügen kamen mit ihren Surfbrettern vorbei.
»Ich glaube, du kriegst deinen Moccaccino doch noch«, bemerkte ich.
Wir wählten das nächstgelegene Café und bestellten ein ordentliches Frühstück. Catherine sprach weiterhin kein Wort und nickte nur, als wir fragten, ob sie dasselbe wollte wie wir. Anfangs war das irgendwie peinlich, aber bald verhielten Grace und ich uns so, als wäre Catherine nicht da. Instinktiv wussten wir, welche Themen wir vermeiden sollten, und wir redeten lange über die Leute, die wir mit ihren Brettern über
Weitere Kostenlose Bücher