Nur ein Kuss von dir
Alles, was Grace und ich zusammenkratzen können.«
Wieder war es eine Weile still, während Veronica die Information verdaute. »Vertraue ihr nicht. Nicht für einen Augenblick«, sagte sie schließlich.
»Warum? Es kommt mir einleuchtend vor. Sie braucht Geld.«
»Sie wird dich reinlegen. Ich glaube ihr keine Sekunde, dass sie da wirklich mitmacht.«
»Und ich glaube, sie hat gar keine andere Wahl! Sie hat keine Freunde, sie ist schrecklich niedergeschlagen, und ich denke, vielleicht ist es gut für sie, etwas Positives zu machen.«
»Also, dann sollten wir dankbar sein«, antwortete Veronica langsam, aber ich konnte den Zweifel in ihrer Stimme hören. »Ich habe mir Gedanken wegen ihrer Motive gemacht, aber wenn Habgier dahintersteckt, dann geht das wohl in Ordnung. Aber bleibe auf jeden Fall wachsam. Mit dem Mädchen stimmt was nicht.«
»Keine Sorge. So, und jetzt – was müssen wir alles organisieren? Eigentlich können wir es doch sofort machen, oder? Alle retten, meine ich. Also, wie geht’s weiter?«
Ich konnte regelrecht hören, wie sie sich am anderen Ende des Telefons zusammennahm. »Wir müssen alle Versunkenen versammeln und dazu bringen, sich in einer Reihe aufzustellen. Mit dir an einem und Catherine am anderen Ende. Doch zuerst müssen wir mit ihnen reden und sicherstellen, dass sie begreifen, was auf sie zukommt.«
»Das dürfte ziemlich einfach sein. Sie werden alle begeistert sein. Catherine hat zwar rumgemeckert, dass die meisten von ihnen lieber sterben würden, aber das ist Unsinn«, sagte ich zuversichtlich, doch die Antwort war wieder ein Schweigen.
»Weißt du, sie hat recht«, sagte Veronica dann leise. »Viele von ihnen werden vielleicht die andere Möglichkeit vorziehen, das solltest du im Hinterkopf behalten.« Sie wartete, bis ich das aufgenommen hatte. »Wir müssen sie entscheiden lassen. Darüber wollte ich schon früher mit dir reden, aber du bist aufgebrochen, bevor das möglich war. Ich selbst glaube, dass die meisten den Tod vorziehen werden, und du würdest ihnen einen Bärendienst erweisen, wenn du sie nicht wählen lässt.«
»Also wenn das einige von ihnen wollen, dann denke ich, ist das auch in Ordnung. Das Entscheidende ist, dass ich diejenigen retten kann, die gerettet werden wollen. Dass ich Callum retten kann!« Ich war fest entschlossen, mir von ihr keine kalte Dusche verpassen zu lassen. Schnell machte ich weiter: »Ich muss also mit allen Versunkenen gemeinsam reden und ihnen etwas Zeit geben, es zu verdauen. Ich habe vor, Catherine heute Nachmittag gleich nach London zu bringen, mit den Versunkenen zu reden und dann weiterzumachen. Ich möchte damit nicht zu lange warten, da ich nicht weiß, wie schnell Catherine das Interesse daran verliert, und ich kann sie ja schließlich nicht gefangen halten.« Ich brach ab, um Luft zu holen, und meine Gedanken rasten zu den Möglichkeiten des kommenden Abends. Innerhalb weniger Stunden konnte ich bei Callum sitzen, während sie ihn im Krankenhaus untersuchten, seine Hand halten, seine Lippen küssen … Die Gedanken daran, wo er wohnen würde, wie er an Geld käme, all diese Alltäglichkeiten schob ich beiseite. Nichts davon war von Bedeutung, verglichen mit der Möglichkeit, dass er bei mir sein konnte.
»Wann kannst du mit Callum reden und ihm erzählen, was du vorhast?«, fragte Veronica. »Wie dicht an London musst du dazu sein?«
»Jetzt kann ich ihn noch nicht rufen. Hierherzukommen und wieder zurückzueilen, ist zu weit. Ich rufe ihn, wenn Catherine und ich in Twickenham in den Zug steigen.«
»Ich gehe zur Kathedrale und warte dort. Ich finde es allerdings übertrieben, es heute bereits zu machen.«
»Also ich würde es schon gerne heute machen, selbst wenn wir nur die retten, die gerettet werden wollen. Du hast gesagt, dass du und ich den anderen auch ohne Catherine helfen können.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe. Ich muss nur alles noch einmal durchdenken.«
»Ist gut. Lass dein Handy eingeschaltet, ich rufe dich an, sobald ich kann.« Ich klickte das Gespräch weg und sah mich wieder zum Eingang der Raststätte um. Ich hoffte, dass sich Grace etwas beeilte, aber überall drängelten sich die Menschen. Es konnte gut sein, dass sie einige Zeit anstehen musste.
Ich verließ den kleinen schattigen Fleck und ging langsam zum Auto. Ich wollte mich nicht zu Catherine reinsetzen, ehe das wirklich nötig war, aber es war besser, sie etwas genauer im Auge zu behalten. Ich konnte mir nicht erklären,
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