Nur ein Kuss von dir
ich in meinem Rucksack nach den Kopfhörern wühlte. Augenblicke später war das willkommene Prickeln in meinem Handgelenk da. Mir wurde klar, dass ich es nicht mehr so oft spüren würde.
»Du bist zurück. Ich hab dich vermisst.« Seine Stimme war warm und herzlich und so liebevoll, dass ich nicht reden konnte. Ganz sanft berührte er mein Haar. »Es ist nicht so gelaufen wie geplant?«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, den kleinen Spiegel aufzustellen. »Es tut mir so leid, Callum. Eine Weile dachte ich, es würde klargehen. Dachte, dass ich euch alle ins Leben zurückbringen könnte, aber dann ist alles schrecklich danebengegangen.«
»Sch…, beruhige dich. Hol tief Luft und erzähl mir alles.«
Schnell berichtete ich. In wenigen Sätzen zerstörte ich alle unsere Hoffnungen.
Einen Augenblick lang blieb Callum still und starrte blicklos auf die Gleise. »Es tut mir so leid«, fuhr ich fort. »Ich wollte euch alle retten, aber ich kann es nicht.«
Sein Lächeln war schief. »Du kannst uns alle retten, Alex. Du kannst uns alle sterben lassen.«
»Ich weiß.« Ich blickte in sein vertrautes Gesicht und wusste, was richtig war. »Und ich werde es machen.«
Ich spürte die hauchzarte Berührung seiner Arme, als er sie um mich legte. »Ich danke dir«, flüsterte er und küsste sanft meine Haare. Der liebevolle Ausdruck in seinen Augen war beinahe überwältigend. Egal, wie stark ich dagegen ankämpfte, die Tränen stiegen hoch und tropften heiß und nass auf meine Hände im Schoß. »Ich spüre es«, sagte Callum. »Du weinst um mich. Das habe ich noch nie zuvor gespürt.« Er hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort: »Du hast mir alles gegeben, Alex. Sei nicht traurig. Das ist ein glückliches Ende, es ist nur nicht das, worauf wir gehofft hatten.«
Ich wusste, dass er mir damit helfen wollte. Aber vergeblich. Ich hatte gerade der aktiven Sterbehilfe für jemanden zugestimmt, den ich aus ganzem Herzen liebte.
Eine weitere U-Bahn fuhr ein und wieder ab. Ich saß zusammengesackt auf der Bank. Besiegt. Catherine hatte gewonnen, sie hatte bekommen, was sie wollte, und damit mein Leben zerstört. Callum blieb bei mir, streichelte sanft meine Haare und murmelte irgendetwas, von dem er wahrscheinlich glaubte, es würde mich trösten. Ich nahm nichts wahr. Ich war völlig benommen.
Schließlich, als sich wieder ein U-Bahn-Zug näherte, brachte mich Callum dazu, ihm zuzuhören. »Los, Alex, steig ein und komm nach St. Paul’s. Ich muss dich richtig halten können. Ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen.«
Ich blickte in den Spiegel und nutzte die Gelegenheit, Callums Anblick aufzusaugen, solange es noch möglich war. »In Ordnung«, sagte ich dann, »wir müssen sowieso mit den anderen sprechen, damit sie den Plan kennen. Willst du vorgehen und schon mal mit Matthew reden? Wenn ich dann da bin, können wir es allen sagen. Bei einigen wird es wohl ein bisschen Überredung kosten.«
Er prustete regelrecht. »Das glaube ich nicht. Alle werden hocherfreut sein.«
»Dann solltest du Olivia suchen und mit ihr reden. Ich weiß, dass sie sich Sorgen macht wegen der Gerüchte.« Ich musste richtig laut werden, da der Zug neben mir kreischend anhielt. Ich klappte den Spiegel zu und stand auf.
Callum seufzte. »Jetzt steig schon ein! Ich geh los und rede mit ihr und Matthew, bevor du in die Kathedrale kommst. Bis in einer Stunde oder so? Ich liebe dich.«
Er war mit mir bis zum Zug gegangen, und als ich antwortete, verschwand das Prickeln abrupt aus meinem Arm, da der Zug anfuhr. »Ich liebe dich auch«, flüsterte ich in die Stille.
Ich kauerte mich auf einen der Sitze, ignorierte alle anderen Fahrgäste und bemühte mich, nicht zu weinen. Ich durfte nicht weinen, wenn ich nachher mit den Versunkenen sprach. Da würde ich mich zusammenreißen müssen. Außerdem würde es eine der letzten Gelegenheiten sein, bei denen ich Callum oben auf der Kuppel sah. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass es die letzte Gelegenheit war, ihn in den Armen zu halten. Ich rieb mir mit den Händen durchs Gesicht und zog den Rucksack auf den Schoß. Zum Glück hatte ich von meinen Gängen mit dem Hund noch ein Päckchen Feuchttücher, mit denen ich mir die salzigen Streifen der Tränen abwischte. Dann suchte ich zusammen, was ich an Make-up dabeihatte. Es war eine recht armselige Auswahl: nur etwas alte Mascara und der Stummel eines Lippenstifts. Mein Gesicht im Spiegel sah müde und abgespannt aus.
Ich sah auf die
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