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darüber noch gar keine Gedanken gemacht habe. Natürlich will ich, dass Wiesenthal betraft wird, klar. Aber dafür sollten der Staatsanwalt mit seiner Anklage und der Richter mit seinem Urteil sorgen. Oder etwa nicht?
„ Die Anklage des Staatsanwaltes wird vermutlich auf Freiheitsberaubung, gefährliche Körperverletzung in mehreren Fällen und versuchten Totschlag lauten, so viel kann ich Ihnen schon verraten. Wenn wir alle Zeugen gehört haben, können noch weitere Delikte dazukommen. Sie müssen sich überlegen, ob Sie neben der Anzeige des Staatsanwaltes selbst Anklage erheben wollen. Sie könnten ihn zum Beispiel auf Schmerzensgeld verklagen. Dafür müssen Sie selbst eine Anzeige machen. Der Staatsanwalt kümmert sich nur um das Strafmaß, aber nicht um eine Entschädigung für Sie, sofern Sie nicht als Nebenklägerin auftreten“, erklärt mir der Polizeibeamte.
Will ich denn Schmerzensgeld? Meine Chancen stünden wahrscheinlich gar nicht schlecht, da der gute Wiesenthal sehr reich ist und ich nicht nur sein armes Opfer war, sondern auch eine arme Studentin bin. Aber eigentlich will ich sein Geld überhaupt nicht. Das macht nicht ungeschehen, dass ich die schlimmsten Stunden meines Lebens eingesperrt in seinem Keller verbracht habe. Andererseits, schaden kann es nicht. Ganz im Gegenteil, vielleicht hat die Anklage mehr Gewicht und er bekommt eine höhere Strafe, wenn es mehrere Kläger gibt?
„ Sie müssen das nicht sofort entscheiden. Sie können sich auch gerne zuerst mit Ihrem Anwalt beraten und später Anzeige erstatten. Wenn Sie sich in den nächsten zwei bis drei Wochen entscheiden, ist das für uns vollkommen ausreichend“, schlägt der Polizist mir vor. Erleichtert nehme ich das Angebot an. Ich weiß zwar noch nicht, ob ich tatsächlich einen Anwalt aufsuchen soll, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich schon viel eher weiß, was ich tun soll, wenn ich mit Emily darüber gesprochen habe.
Beim Gedanken an Emily zucke ich innerlich zusammen. George sagte, es habe wieder einen Vorfall an unserer Wohnung gegeben. Markus hat abgestritten, etwas mit dem Vandalismus zu tun zu haben. Da er sonst alles zugegeben hat, finde ich es sehr verwirrend, dass er dies weiterhin abstreitet. Ich muss unbedingt Emily anrufen, sobald ich meine Handtasche und mit ihr mein Handy zurück habe.
Völlig in meine Gedanken vertieft, bekomme ich kaum mit, was der Beamte mir nun erklärt, es geht um irgendein Protokoll, das er mir zuschicken wird und das ich unterschrieben wieder zurückschicken muss oder so; ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Es kommt mir alles so unwichtig vor. Ich will nur noch hier raus, meine Sachen quer durch die Stadt einsammeln – Armreif bei Hanne, Handtasche bei Markus – und nach Hause fahren.
Draußen vor dem Gebäude bestürmen mich George und Florian mit ihren Fragen. Wie war es denn, haben sie dir viel verraten, was hast du denen erzählt, wollten sie auch was über Markus wissen, hast du Markus angezeigt, erstattest du Anzeige gegen Wiesenthal, haben sie was über seinen Zustand gesagt und und und.
Mir schwirrt der Kopf und ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen, antworte nur knapp und merke, dass die beiden damit nicht zufrieden sind. George will uns wieder ein Taxi rufen, aber ich bitte ihn, es bleiben zu lassen. Ich möchte lieber zu Fuß gehen, einen klaren Kopf bekommen und einfach so tun, als wäre ich eine ganz normale Touristin an einem ganz normalen Samstagmorgen in Worms. Das Wetter ist schön, die Stadt gefällt mir wirklich gut und ich möchte nun, kurz vor meiner Abreise, noch möglichst viele positive Eindrücke sammeln, die ich mit nach Hause nehmen kann. Die negativen Erlebnisse werden mich ganz sicher nach Hause begleiten, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.
Wir schlendern gemütlich durch die Stadt, Georges super smartes Smartphone weist uns gewohnt zielführend den Weg. George und Florian unterhalten sich angeregt darüber, was Markus uns zeigen will, sie ergehen sich in den tollsten Vermutungen bis hin zu den haarsträubendsten Spekulationen – es fallen mysteriöse Worte wie Zeitreise, Aliens, Geheimnis, Verschwörung, Schatzkarte. Ich lasse sie diskutieren, höre ihnen mal zu und mal nicht, enthalte mich aller Kommentare und freue mich darauf, gleich meine liebe, neu gewonnene Großtante zu besuchen.
Als wir vor dem Haus stehen, klingeln und prompt das wütende Gebell hinter der Tür ertönt, muss ich schon grinsen. Dann hört
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