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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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keine Schatten ums Haus huschen, und ich höre auch keine flüsternden Stimmen, die von Toten oder Sensenmännern wispern und mich beleidigen oder mir drohen … Das würde dir eine Verrückte erzählen. Aber ich bin nicht verrückt. Nein, ich habe gute Gründe, zu glauben, dass jemand meinen Mann beseitigen will.«
    Gründe?, denke ich. So viele Gründe, von denen sie wissen kann, gibt es nicht, weshalb ich mich ganz langsam an die Wahrheit herantasten sollte.
    »Diese Angst sitzt dir wahrscheinlich seit den beiden Mordversuchen im Nacken, die danach noch auf Eladio verübt wurden, wie er mir erzählt hat. Du weißt doch sicher davon, oder?«
    »Eladio kann dir nichts erzählt haben!«
    Bidanes Ausruf lässt sowohl Koldobike als auch mich zusammenzucken. Plötzlich hat sie ein Taschentuch in der Hand, mit dem sie sich die Augen wischt.
    »Nein, davon hat er mir nichts erzählt …«, flüstert sie nun.
    »Sicher, um dich nicht zu beunruhigen«, erwidert Koldobike und streicht ihr sanft über den Kopf.
    »Womöglich waren es sogar mehr als zwei«, fahre ich ungerührtfort. »Zehn Jahre sind eine lange Zeit.« Koldobike blickt mich erneut tadelnd an, lässt mich aber zum Glück weiterreden. »Vielleicht hat er es dir ja verschwiegen, weil die Wahrheit ganz woanders lag.«
    »Was für eine Wahrheit …?«
    Das klingt weniger wie eine Frage als vielmehr wie ein Stöhnen, weshalb Koldobike neben ihr die Stirn runzelt.
    »Es gibt nur eine Wahrheit, nicht mehrere«, erkläre ich. »Und die müssen wir herausfinden, denn entweder waren alle Mordversuche echt, oder aber alle waren vorgetäuscht. Beides geht nicht.«
    Bidane starrt jetzt nur noch vor sich hin, das Taschentuch ruht vergessen in ihrem Schoß. Mit ein paar resoluten Schritten ist Koldobike bei mir.
    »Jetzt ist es aber gut!«, faucht sie mich leise an, damit Bidane es nicht hört. »Wir wollten ihr helfen und sie nicht noch mehr verunsichern.«
    »Das tue ich doch«, versichere ich ihr leise. »Du, ich, alle in Getxo wollen endlich die Wahrheit erfahren. Und diese Frau mehr als wir alle zusammen.«
    Mit einem Schnauben kommt Koldobike noch näher, sodass sie nun direkt vor mir steht und Bidane sie garantiert nicht mehr hören kann.
    »Und wenn sie die Wahrheit gar nicht erfahren will?«
    »Jeder Mensch will die Wahrheit erfahren!«, flüstere ich zurück. »Unser Leben lang sind wir auf der Suche danach, wir streben nach Erkenntnis … bis wir auf unserem Sterbebett liegen. Wir geben dieser Frau die Möglichkeit …«
    »Übertreib’s nicht, Samuel, du bist nicht der Allmächtige, der Schöpfer aller Dinge.« Koldobike ist auf hundertachtzig. »Denn so, wie es gerade aussieht, willst du für deinen Roman jetzt auch noch ein unschuldiges Opfer.«
    »Etwas Schlimmeres kann mir im Leben nicht mehr passieren.«Bidanes monotone Worte beenden unseren heftigen Wortwechsel abrupt. Als bete sie eine Litanei, wiederholt sie sie leise in einem fort. »Etwas Schlimmeres kann mir im Leben nicht mehr passieren …«
    Die darauf folgende Stille hat etwas fast Andächtiges, lässt mich ihre seelischen Qualen erahnen. Ich schlucke meinen Ärger über Koldobike hinunter und sage mir, dass ich wirklich nur der Erzähler dieser Geschichte bin mit all ihren dunklen Seiten, dass sich meine Idole aber bestimmt auch manchmal für Götter gehalten haben. Wieder etwas gefasster, gehe ich zwei Schritte auf Bidane zu und räuspere mich.
    »Wann hat er dir gestanden, dass alles Betrug war? Vor oder nach der Hochzeit?«
    Koldobikes wütendes Schnauben rückt in den Hintergrund, als ich Bidanes überraschtes Gesicht sehe. Sie scheint nicht die geringste Ahnung zu haben, wovon ich rede. Trotzdem lasse ich nicht locker.
    »Ich meine, die Kette an Apraiz’ Felsen, Etxes allmorgendliche Suche nach Strandgut … Das alles könnte doch ein gut ausgeklügeltes Spiel der Zwillinge gewesen sein, das nur leider ein schreckliches Ende genommen hat.«
    Bidane steht vor Staunen der Mund offen. »Und wozu?« wäre die einzige darauf passende Frage gewesen, aber ihr Kopf kann nicht mehr logisch denken.
    »Mein armer Liebling! Oh, mein armer Liebling!«, ruft sie stattdessen benommen und erhebt sich dann mühsam von ihrem Stuhl, um mit der Petroleumlampe aus der guten Stube zu eilen. »Darauf muss man erst mal kommen, dass sie selbst …«
    Koldobike und ich sehen uns an und folgen ihr stumm.
    Bidanes Petroleumlampe leuchtet in den saubersten Stall, den ich je gesehen habe. Kein Esel, keine Hühner,

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