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Nur eine Liebe

Nur eine Liebe

Titel: Nur eine Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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man zumindest leichter ansehen.« Cris rieb sich die Augen.
    »Das Weinen hat aufgehört.« Stef warf mir einen Blick zu. »Gehen wir durch?«
    Sie fragte mich? Vielleicht hatte ich ungewollt den Eindruck erweckt, dass ich mich hier auskannte. »Ja, ich denke schon. Haltet Ausschau nach allem, das uns bei der Flucht helfen könnte.«
    Es würde nichts geben. Der Schlüssel war weg. Nichts würde uns helfen zu entkommen, aber sie brauchten den Trost.
    Wir gingen durch den Bogen.
    Der runde Raum war nicht wie der Rest des Tempels. Hier glühten die Mauern rot, und tintenschwarze Schatten lauerten unter Skeletten, die in angelaufenen Silberketten lagen. Es waren Tausende von Skeletten. Vielleicht eine Million.
    In der Mitte wartete eine breite Grube, groß genug, dass ein Flügel hindurchfallen konnte. Darüber stand wie eine breitbeinige Spinne ein weißer Tisch. Ein Leichnam, perfekt erhalten, lag auf dem Tisch mit einem Messer in der Brust. Seine Hände hielten es fest.
    Stefs Stimme wurde leise und schwer. »Was ist das?«
    »Ich habe es noch nie gesehen.« Ich konnte mich nicht rühren. Überall waren Skelette, gelbe Knochen ohne Fleisch und Stoff. Sie saßen in Reihen übereinander, die um den ganzen Raum herumliefen, die Köpfe zur Seite baumelnd, die gefesselten Hände auf dem Schoß oder dem Stein neben ihnen.
    Ich hatte noch nie zuvor so viel Tod gesehen, noch nicht einmal auf den Friedhöfen, die Sam mir gezeigt hatte. Diese Friedhöfe waren friedlich gewesen, mit Schmiedeeisen und Steinmetzarbeiten, Blumen und Kletterpflanzen. Es waren Leichen, die in Mausoleen und Särgen lagen, wo sie hingehörten.
    »Dieser hier ist anders«, rief Stef von der anderen Seite der Grube und dem Mann auf dem Steintisch.
    Ich starrte auf den Mann, als ich in einiger Entfernung um die Grube herumging. Er war klein und dick, mit buschigem braunem Haar auf dem Kopf und im Gesicht. Sein Kiefer war vorgeschoben, als hätte er sich bei seinem Tod auf etwas Wichtiges konzentriert. In erster Linie sah er stark aus, als könne er mit einem Troll ringen und gewinnen.
    »Ana.« Cris berührte mich an der Schulter.
    Stef hockte neben einem weiteren in seinen Fesseln zusammengesunkenen Skelett, aber abseits von den übrigen. Es lag ausgestreckt mitten auf dem Boden, die Arme nach vorn gestreckt, als verbeuge es sich vor dem Mann auf dem Tisch.
    »Und das ist noch nicht mal das Unheimlichste.« Stef trat von dem Gefesselten weg, um einen zweiten zu zeigen, der zur Seite geworfen worden zu sein schien. Die Glieder ragten nach allen Seiten, die Knochen wurden von abgenutzten Sehnen kaum zusammengehalten. Das Skelett sah aus, als würde es bei der geringsten Berührung zu Staub zerfallen.
    Ich ließ den Blick über die Wände schweifen, an den Reihen klaffender Augenhöhlen und herabhängender Unterkiefer entlang. »Da.« Ich zeigte auf eine leere Stelle. Silberne Fesseln lagen unverschlossen auf dem weißen Stein. »Jemand hat ihn hier rübergebracht.«
    Was hatte Deborl darüber gesagt, Meuric zu ersetzen …
    »Was ist ein Geweihter?« Die Frage war heraus, bevor mir bewusst wurde, dass ich sie ausgesprochen hatte. Deborl hatte Meuric tatsächlich ersetzt. Körperlich.
    »Das ist ein Wort, das ich seit sehr langer Zeit nicht mehr gehört habe.« Stef legte den Kopf schief. »Meuric hat den Titel am Anfang für sich beansprucht und gesagt, er habe eine besondere Verbindung zu Janan, aber er schien eigentlich nichts zu tun. Irgendwann hat er aufgehört, darüber zu reden.«
    Ich spielte mit meinem Schal, die kühle Seide war nur ein schwacher Trost. »Meuric war der erste Geweihte«, sagte ich und betrachtete die Skelette auf dem Boden. »Was immer er tun sollte, er scheiterte, als ich ihn hier eingesperrt habe. Deborl hat ihn ersetzt.«
    Cris stand neben mir und überragte mich. »Aber warum? Was spielt es für eine Rolle?«
    »Meuric und Deborl haben beide etwas darüber gesagt, dass Janan aufsteigt. Dass er sich erhebt.«
    »Das klingt bekannt«, murmelte Stef. »Er erhebt sich.«
    Ich wartete ab, doch sie ging nicht weiter darauf ein. »Meuric war davon überzeugt, dass er die Seelennacht überleben würde, wenn er den Schlüssel hätte.«
    »Das ist in drei Monaten.« Cris schüttelte den Kopf. »Aber wir haben alle fünfzehn Jahre eine Seelennacht. Wir überleben sie alle. Worin unterscheidet sich diese von den anderen?«
    Zeit? Worauf Janan auch hinarbeiten mochte, waren fünftausend Jahre lange genug? Meuric war davon überzeugt

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