Nur eine Liebe
hatte den Weg zu Sam zur Hälfte geschafft, als eine der Sylphen trällerte und ihren augenlosen Blick auf mich richtete. Das Gewicht ihrer Aufmerksamkeit ließ mich taumeln, während sich die Dämmerung über dem Strand vertiefte.
»Was?« Meine Worte waren ein Flüstern.
Die Sylphe trällerte wieder, rückte näher an mich heran und übernahm dann wieder ihren Teil des Stückes.
Sie wollte, dass ich sang? Ich blieb, wo ich war, die Stiefel fest auf dem Sand. Ich war mir Sams Gegenwart hinter mir bewusst. Aber als die Sylphe abermals trällerte, summte ich die nächsten paar Takte der Melodie.
Als wäre ein elektrischer Stoß durch die Sylphen gefahren, richteten sie sich alle zitternd gerader und höher auf und kamen näher an mich heran. Sie schienen begierig zu sein und – mich willkommen zu heißen?
Es klang lächerlich, selbst in meinen Ohren, aber ich wollte sie auf gar keinen Fall verärgern. Ich hob die Hände, als würde ich etwas wegschieben, dann trat ich vor und summte dabei immer weiter.
Sie schwebten zurück, auf unheimliche Weise konzentriert, während sie sangen.
Ich konnte Sams Blick im Rücken spüren und die Fetzen gedämpfter Befehle im Wald hören. Ein Rettungstrupp, hoffte ich, denn es war klar, dass die Sylphen mich nicht gehen lassen würden. Zumindest eine hatte meinen Plan zu fliehen erkannt. Wenn ich es wieder versuchte, würden sie vielleicht angreifen.
Die Sylphen wichen zurück, als ich mich vorwärtsbewegte. Musik spielte zwischen uns, warm und freudig, mit einem Flötenduett und einem Bass, der wie ein Herzschlag wummerte. Wir alle – die Sylphen und ich – bewegten uns im Takt.
»Was im Namen Janans?« Die Stimme eines Jungen drang über den dämmerdunklen Strand, verblüffte die Sylphen, verblüffte mich.
Irgendjemand fluchte. »Was treibt sie da?«
»Sie kontrolliert die Sylphen.«
Ich fuhr herum, zu schockiert, um zu antworten, und plötzlich schwärmten die Sylphen aus und umgaben mich wie eine Eskorte oder eine Armee oder dunkle Flügel, ganz Hitze und Aschegestank. Sie heulten mit so hohen Stimmen, dass mir die Ohren schmerzten, und zwei von ihnen schossen vorwärts, um die Eindringlinge anzugreifen.
»Halt!«
Auf meinen Ruf hielten die Sylphen inne, und ihr Klagen verstummte. Heiserer Atem war in dem Zwielicht zu hören, das einzige Geräusch in einer Pause zwischen zwei Sätzen der Phönix-Symphonie.
»Wie hat sie das gemacht?« Die knurrende Stimme war vertraut. Merton? Dieser Kerl war überall.
»Janan hat uns wirklich verlassen«, murmelte jemand anders. »Die Seelenlosen werden unser Untergang sein.«
»Sei still «, zischte ich. »Ich kontrolliere Sylphen ebenso wenig, wie du das Wetter oder deine eigene Wiedergeburt kontrollierst. Sie mögen Musik. Das ist alles.« War es das?
Ratsherr Deborl trat vor; er hielt ein Messingei von der Größe zweier Fäuste in den Händen. »Wir werden uns jetzt um sie kümmern, Ana.« Körperlich war er jünger als ich, aber er hielt sich mit der ganzen Bedeutung seines Ranges. Selbst sein Ton erinnerte an sein wahres Alter.
Dunkelheit schauderte zu beiden Seiten von mir: Sylphen. Hitze traf auf mein nacktes Gesicht und meine Hände; ich konnte sie sogar durch den Mantel spüren. Aber die Sylphen kamen mir nie zu nahe – jedenfalls nicht nah genug, um mich bei lebendigem Leib zu kochen. Jede Sylphe war immer zu nah.
Und doch hatten sie auf die Musik reagiert. Jetzt, da hinter uns auf dem SAK der zweite Satz begann, summte eine Sylphe leise mit der Bassstimme mit.
Ich warf Sam einen Blick zu; die Art, wie er die Sylphe anstarrte, sagte mir, dass er es ebenfalls hörte.
»Verletzen die Eier die Sylphen?« Ich biss mir auf die Lippe und bedauerte die Frage sofort. Jetzt würden Deborl und die Wachen denken, dass ich mit den Sylphen sympathisiere.
»Spielt es eine Rolle?« Deborl bewegte sich vorwärts, und ein Dutzend anderer folgten ihm. Sie alle trugen Eier. »Sylphen werden dich bei lebendigem Leib verbrennen. Sie haben es bereits einmal beinahe getan, schon vergessen? Und sie wollten gerade Lidea und die andere Neuseele angreifen. Ich dachte, sie bedeuteten dir etwas.«
»Das tun sie!« Zu schrill, zu verzweifelt, aber die Sylphen warteten neben mir, als Deborl, Merton und die anderen näher kamen. »Sie bedeuten mir wirklich etwas, aber seht doch, sie tun niemandem etwas. Was, wenn sie einfach aus eigenem Antrieb fortgingen?«
Sam schüttelte den Kopf, eine Warnung.
»Ana«, sagte Deborl, als er sich
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