Nur eine Liebe
sollte er mir eine Rose schenken, wenn andere Leute dafür bezahlen müssen?« Vielleicht würde er während des Unterrichts eine Bezahlung verlangen oder Sam einen Wink geben, da ich natürlich keinen Kredit hatte.
Eine dunkle Gestalt erschien an der Seite des Rathauses, das Haar zerzaust, während er die sich lichtende Menge nach mir absuchte.
Ich legte die Rose auf die Bank und kam Sam auf halbem Weg entgegen. Er umarmte mich so fest, dass meine Füße vom Boden abhoben, dann drückte er mir den Mund auf den Hals.
»Alles in Ordnung?« Sein Mantelkragen dämpfte meine Stimme.
»Jetzt, nachdem ich dich wieder umarmen kann, geht es mir besser.« Aber er klang nicht glücklich, und auf der anderen Seite des Marktplatzes machte jemand abfällige Bemerkungen zu seinem Begleiter. Etwas darüber, wie langweilig es sein müsse, mit einer Neuseele zusammen zu sein. Sam wand sich und grub die Finger in meinen Mantel. »Hör nicht auf sie. Du bist nicht langweilig.«
Mit rotem Gesicht stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um ihn auf die Wange zu küssen. »Danke, dass du dich im Ratssaal für mich eingesetzt hast.«
»Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, aber es ist besser als schweigen.« Er wurde noch nüchterner. »Halt dich von Merton fern, wenn du kannst.«
Schon wieder dieser Kerl. War er in den Saal gekommen, nachdem ich gegangen war? Vielleicht war das der Grund, warum Sine wollte, dass ich ging. Vielleicht hatte sie ihn angebrüllt wegen der Art, wie er sich im Krankenhaus benommen hatte, und der Art, wie er öffentliche Schimpftiraden hielt. »Ich hatte nicht vor, ihn zu bitten, mein neuer bester Freund zu werden.«
Sam lächelte nicht. »Ich denke, er ist derjenige, der uns nach der Maskerade angegriffen hat. Mit Li.« Er hielt mich fester, als ich zusammenzuckte. »Ich habe keine Beweise, aber ich habe Sine darum gebeten, dass jemand ihn im Auge behält. Im Moment gehen wir ihm am besten aus dem Weg.«
»Ich verstehe.« Ich schaute zum Tempel hinüber, der so hoch war, dass mir beim Anblick der ziehenden Wolken an seiner Spitze schwindlig wurde. »Können wir jetzt nach Hause gehen?« Das Gebäude wirkte fester, höher und breiter und hungriger. Es schien, als würde es mich hassen , und wenn ein Gebäude hassen konnte, dann würde es dasjenige sein, das Janan bewohnte.
Sam küsste mich auf die Stirn. »Nach Hause klingt gut.« Er nahm meine Hand, während wir zu Armande gingen, um uns von ihm zu verabschieden.
»Hallo, Sam.« Armande stand auf, und sein Blick ging zu dem Platz auf der Bank, auf dem ich gesessen hatte.
Sam folgte seinem Blick. »Jemand hat dir eine Rose geschenkt?«
Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass diese Frage mir galt, nicht Armande. »Das war Cris. Ich hatte ihn beschuldigt, die Rosen am Purpurrosenhaus im Stich gelassen zu haben. Ich schätze, er wollte mir beweisen, dass er das nicht getan hat.«
Ich hob sie von der Bank auf. »Er hat mir Unterricht im Gärtnern angeboten. Ich habe gesagt, dass wir ihn anrufen würden.«
»Gut.« Sam und Armande tauschten weitere stumme Botschaften – von denen die meisten von Armande kamen –, aber es war die Art von Kommunikation, die daraus erwuchs, dass sie einander seit einer Ewigkeit kannten. Ich konnte sie nicht deuten.
Als wir Armande und seinen Bäckerstand verließen, warf ich meinen Kaffeebecher in eine Recyclingtonne und fragte: »Was hatte dieser Blick zu bedeuten?«
Sam antwortete nicht.
Okay. Dann war das also eine Frage für später. »Was ist im Saal des Rates passiert, nachdem ich gegangen war?«
Er schüttelte nur den Kopf und sagte nichts, bis wir in seine Straße einbogen, als hätte er sich die Worte während des ganzen Heimwegs zurechtgelegt. »Sie wollten, dass ich mich an die Wahrheit über Neuseelen erinnere.«
KAPITEL 12
Spiralen
»Die Wahrheit über Neuseelen?« Ich bekam keine Luft.
»Niemand ist sich sicher, wie er auf das Tempeldunkel reagieren soll«, gab er schließlich zu. »Zuerst stand die Gemeinschaft unter Schock. Wir haben reagiert, wie wir immer auf Kämpfe reagieren: Versorgt die Verwundeten, baut die Stadt wieder auf. Das konnten wir im Schlaf. Aber schließlich sind wir aufgewacht und haben begriffen.« Sams Stimme brach, und er blieb stehen. »So viele Seelen sind für immer fort. Wir werden sie nie wiedersehen. Niemand weiß, was geschieht, nachdem man auf solche Weise gestorben ist.«
Vor fast genau einem Jahr hatte er gesagt, dass nicht mehr zu existieren das
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