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Nur eine Liebe

Nur eine Liebe

Titel: Nur eine Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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tatsächlich aus wie ein Bogen, aber nur wenn ich den Kopf schräg legte.
    »Das scheint durchaus vernünftig zu sein.«
    Vor mich hin murmelnd wischte ich mehr Erde beiseite. Feuchte Körner klebten an meinen Fingern. »Ich erinnere mich an das hier.« Ich tippte auf ein Symbol, das aus zwei senkrechten Wellenlinien mit dicken Schrägstrichen dazwischen bestand, wie eine Schraffur. »›Schatten. Dunkelheit. Nacht.‹ Ich habe es mir falsch herum angesehen.«
    »Wie meinst du das?«
    Und dann hatte ich es: Plötzlich war mir alles klar wie beim ersten Mal, als ich verstanden hatte, dass ein Walzer drei Takte hatte, nicht vier. Auf einmal ergab es einen Sinn .
    Ich hüpfte auf den Zehen. »Ich habe es kapiert!«
    Sam setzte einen erwartungsvollen Blick auf. »Die Schrift?«
    »Nein, warum es schlimmer wehtut, wenn man sich an Papier schneidet als mit dem Messer.« Ich verdrehte die Augen. »Natürlich meinte ich die Schrift.«
    »Na gut. Ich kapiere es nicht.«
    Ich legte meine Finger wie eine Spinne auf das Blatt und drehte es wieder und wieder im Kreis herum. »Das habe ich getan, als ich versucht habe, die Spirale zu lesen. Als ich das obere Ende der Spirale erreicht habe, habe ich das Buch auf den Kopf gestellt. So habe ich auch die Symbole abgezeichnet, so wie dieses hier.« Ich zeigte auf das Zeichen, das Cris als »Tor« markiert hatte.
    »Aber?«
    »Warum sollte jemand auf diese Art in etwas so Unhandliches wie ein Buch schreiben? Man müsste das Buch beim Lesen die ganze Zeit herumdrehen, bis einem schwindlig wird. Dieses Symbol« – wieder zeigte ich auf das Torsymbol – »war auf der Seite der Spirale, als ich es abgezeichnet habe. Das ist der Grund, warum es jetzt auf der Seite steht.«
    Verständnis dämmerte in Sams Gesicht. »Man liest also in einer Spirale, aber alle Symbole sind gleich ausgerichtet, egal, wo sie stehen.«
    »Genau.« Ich hüpfte wieder, und Sam lächelte. »Ich kapiere es! Ich liebe dieses Gefühl. Ich will sofort alle Bücher lesen.«
    Er starrte mich an, als wäre mir ein zweites Paar Augen gewachsen. »Du hast gesagt, du lie…« Sein Mund wurde zu einem Strich, als er den Blick abwandte. »Also, Cris ist nicht hier. Sollen wir es beim Nächsten versuchen?«
    Sobald er sprach, hörte ich auf zu hüpfen. Ich hatte liebe gesagt . Laut. Meinte ich es so? Erwartete er jetzt von mir, dass ich es zu ihm sagte? Es bestand ein riesiger Unterschied zwischen der Liebe zu einem Gefühl oder einem Ereignis – und der Liebe zu einem Menschen.
    Ich fühlte mich mit all meinen Gedanken und Emotionen wie ein Wirbelwind. Oder vielleicht waren sie Wirbelwinde, und ich war nur ein Schmetterling oder eine blaue Rose.
    »Klar.« Ich versuchte – vergebens – so zu tun, als sei nichts geschehen, und schüttelte den Rest Erde von dem Blatt Papier, bevor ich es in die Tasche steckte. Cris hatte nur einige Vermutungen notiert, und sie konnten falsch sein, aber sie wären ein guter Start.
    »Whit ist der Nächste.« Er führte mich durch das Labyrinth von Topfpflanzen und zur Tür hinaus. Es schneite jetzt dichter, eine dicke weiße Decke. »Ich glaube nicht, dass der Schnee bald nachlassen wird. Wir werden vielleicht früher aufhören müssen, bevor wir nicht mehr durchkommen. Wir wohnen auf der anderen Seite der Stadt.«
    Als wir wieder auf der Straße waren, schaute ich nach Südwesten, wo unser Haus lag, aber da waren nur Dunkelheit und Schnee. Und das Tempellicht, das eine Million zu Boden schwebende Schneeflocken schimmern ließ.
    Die dunklen Straßen blieben verlassen, wir waren die einzigen Passanten. Ich wünschte, wir wären zu Hause und hätten Musikstunden, denn das Spielen in einer Gruppe vergangene Nacht hatte mich auf Ideen gebracht. Und Musik war weitaus weniger schmerzhaft als Gedanken an die Explosionen oder unseren Streit.
    Ein kalter Wind ließ mich zittern, als wir an einer weißen Hülle vorbeikamen, die früher einmal das Haus von jemandem gewesen war. Jetzt war der Bewohner tot, verloren im Tempeldunkel. Irgendjemand hatte die Trümmer der Schuppen weggeräumt. Ich fragte mich, ob sich noch etwas im Haus befand oder ob die Habseligkeiten der Dunkelseele dort bleiben würden, bis sie verfaulten – eine Erinnerung an jemanden, der geliebt und verloren worden war.
    Wir gingen weiter. Die Stille und das Gewicht der Geschichte lasteten schwer auf mir.
    »Was ist zwischen dir und Cris vorgefallen?« Meine Worte wurden zu Nebel, kaum sichtbar im Tempellicht.
    »Es ist nichts.«

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