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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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schlang die Arme um sie. Etwas überrascht drückte Tasha sie an sich.
    »Danke, Tasha«, sagte sie, das Gesicht in den flauschigen Wollpullover ihrer Tante vergraben. Er fühlte sich weich und warm an, die Wolle kitzelte sie an den Wangen. Er roch nach Tasha, ihrem apfelweinartigen Parfüm, ihrem Tabak. Er roch gut.
    »Danke wofür?«
    Connie konnte nicht antworten. Du wirst Tash lieben, hatte ihr Vater in seinem Krankenhausbett gesagt, ein paar Tage, bevor er ins Koma fiel, in einem seiner klareren Momente. All die anderen Arschlöcher in meiner Familie wirst du hassen, aber Tash wirst du lieben.
    Damit hatte er nicht ganz recht gehabt. Weder ihre Großeltern noch ihren Onkel konnte man als Arschloch bezeichnen. Konservativ, verbohrt, vielleicht sogar ein bisschen feige, das ja, noch immer brachten sie ein Wort wie AIDS oder bisexuell nicht über die Lippen. Noch immer konnten sie nicht darüber sprechen, wer er wirklich war, wie er wirklich gestorben war. Aber Arschlöcher waren sie keine.
    »Ich hab dich nicht verstanden, mein Engel.«
    »Danke, dass du dich um mich kümmerst. Danke, dass du dein Leben für mich opferst.« Noch während sie die Worte aussprach, wusste sie, dass ihre Tante wütend sein würde. Sie wusste, dass sie selbstmitleidig war, dass sie im Grunde nur Bestätigung suchte und sich geliebt fühlen wollte. All das wusste sie, und trotzdem hatte sie es gesagt.
    »Ich habe mein Leben nicht geopfert, Con. Was redest du denn da?«
    »Ich meine nur …«
    »Ich weiß genau, was du meinst. Es mag dir seltsam vorkommen, aber es wird eine Zeit in deinem Leben geben, da wirst auch du dich darauf freuen, samstagabends zu Hause zu sein und fernzusehen. Die Beine hochlegen nennt man das. Ich ziehe dich groß. Das macht mir Freude. Und das weißt du auch.« Tasha drehte sich um und stürmte davon. »Das war wirklich ziemlich bescheuert von dir, so etwas zu sagen«, rief sie über ihre Schulter.
    Connie musste lächeln, als sie in den Badezimmerspiegel sah. Sie ging ins Wohnzimmer. Ihre Tante hatte sich aufs Sofa gehauen und den Fernseher angestellt. Connie setzte sich auf die Sofalehne.
    »Was soll ich anziehen?«
    Tasha ignorierte sie und starrte auf den Bildschirm. Irgendwo in Übersee fielen Bomben. Connie nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann sah sie Tasha an, die ein Lächeln unterdrückte. Connie beugte sich zu ihr und kitzelte sie leicht.
    Tasha konnte sich nicht mehr halten. »Lass das!«
    »Was soll ich anziehen?«
    »Etwas Elegantes, das schick aussieht. Nicht diese schrecklichen Marken-Sportklamotten.«
    »No Logo! Coole Sache.«
    »Rede nicht wie ein Teenager, Con, bitte.«
    »Ich bin ein Teenager.«
    »Ja, ein außergewöhnlich intelligenter Teenager. Ich halte es einfach nicht aus, wie ihr redet. Meine Güte, was ist so schlimm an einem vollständigen Satz?«
    Dann prustete Tasha wieder los. Noch lauter als vorher.
    Connie sah sie verwundert an. »Was gibt es da zu lachen?«
    Tasha strich ihr über die Wange. »Ich hab mich nur selber reden gehört, Schatz.« Sie stand vom Sofa auf. »Warte kurz.«
    Sie kam mit Kleidern über beiden Armen zurück und breitete sie vor Connie aus. Eine schwarz-rote Weste bestickt mit glitzernden rubinroten und saphirblauen Perlen, ein langer Kamelhaarrock mit großen Silberknöpfen an der Seite. Sogar einen Hut hatte sie mitgebracht, aus einem dicken elfenbeinfarbenen Material, mit gestauchtem Kopf, der am Ende spitz zulief.
    »Wo kommen die Sachen her?« Ihre Stimme war ganz schrill vor Aufregung.
    »Das sind meine.«
    »Hast du die getragen?«
    »Ich habe sie selbst genäht. No Logo!« Tasha lächelte. »Ist dir das cool genug?« Sie legte die Kleider aufs Sofa. »Übrigens, stimmt gar nicht. Wir hatten ein Label. Nietzsche. Ganz schön prätentiös, nicht wahr?«
    Connie hielt ein dunkelgraues Kostüm aus grober Wolle hoch. Sie überhörte die Bemerkung.
    »Das waren die frühen Achtziger. Damals passte das, nuklearer Winter und so. Wir hörten alle Public Image und Joy Division.« Tasha freute sich, dass ihre Nichte sich für die Kleider begeisterte. »Du hast wahrscheinlich keine Ahnung, wovon ich rede.«
    »Natürlich. Dad war ein großer Fan von Joy Division.« Connie nahm den langen Rock und hielt ihn sich vor die Hüften. »Ein paar Songs von denen mag ich ganz gern. Ein bisschen düster.«
    »Düster ist gut. Besser als der Kommerzquatsch, den ihr alle hört.« Tasha riss ihr den Rock weg. »Den kannst du nicht tragen, Schatz.

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