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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christos Tsiolkas
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um ihr Outfit etwas aufzulockern. Die Leute guckten schon komisch. In der High Street standen ein paar ausländische Jungs und Mädchen vor einem Jugendzentrum. Einer der Jungs rief: Hey, guck mal die da, und ein paar andere pfiffen ihr nach. Sie durfte nicht rot werden. Sie würde noch den ganzen Abend damit zu tun haben, nicht rot zu werden. Sie sah sich nach den Jungs um, die alle rauchten und ihre besten Anzüge trugen, als gehörte ihnen die Welt. Heute Abend würde sie nicht an ihn denken. Er würde ihr den Abend nicht kaputtmachen.
    Die Athanasious wohnten in einem großen zweistöckigen Hausoben auf dem Hügel in der Charles Street. Lichterketten schmückten die Veranda, und von drinnen war Musik zu hören. Die Mädchen blieben vor der Eingangstür stehen und warfen einen Blick auf die Stadt, die unter ihnen lag. Melbourne war hell erleuchtet und der Abendhimmel von einem samtigen Violett.
    Jenna stieß langsam die Luft aus. »Wow, was für ein Ausblick.«
    Tina hatte die Augen aufgerissen. »Ist das die Pille oder sieht heute Abend wirklich alles so toll aus?«
    Connie und Jenna lachten. Das Ecstasy konnte auf keinen Fall schon angeschlagen haben.
    Connie hakte sich bei Tina unter und öffnete die Tür. »Warte nur ab«, flüsterte sie.
    Mrs. Athanasiou stand in der Küche und nippte an einem Whisky. Mr. Athanasiou schaufelte Dips in kleine Schüsseln. Durch die Glastür sahen die Mädchen Jordan am Grill stehen und Würstchen und Steaks umdrehen. Es waren schon ungefähr fünfzehn Gäste da. Aus den Boxen kam Jay-Z.
    Mrs. Athanasiou ging auf sie zu und begrüßte sie mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange. »Gut, dass ihr kommt. Es sind zu wenig Frauen da.«
    Sie warf Connie einen anerkennenden Blick zu. »Du hast dich ja richtig rausgeputzt.« Sie wandte sich an ihren Mann. »Sehen die Mädchen nicht wundervoll aus?«
    In Wirklichkeit waren die Athanasious wundervoll. Selena Athanasiou stammte aus Sulawesi, einer indonesischen Insel. Jedenfalls glaubte Connie, dass es Indonesien war. Oder war es Malaysia? Sie hatte seidiges, rabenschwarzes Haar, das ihr in einer dichten Welle über die Schultern fiel. Jenna hatte ihr mal erzählt, Mrs. Athanasiou gehöre zu einem Stamm, deren Vorfahren Kopfjäger waren. Jordan hatte damit angegeben, sein Großvater sei ein König, was bedeutete, dass Mrs. Athanasiou eine Prinzessin war, und das nahm man ihr durchaus ab. An diesem Abend trug sie schwarze Jeans und einen roten Pullover, schlicht aber auffällig. Ihr Make-up bestand aus einem eleganten Lidstrich und einem weichenLippenstift. Mr. Athanasiou hatte sich wie immer nicht rasiert. Er trug eine ausgebeulte Leinenhose und ein buntes Batikhemd, aber selbst in den merkwürdigsten Klamotten gab er immer noch einen würdigen Gefährten für eine Prinzessin ab. Er hatte struppige, schwarze Locken mit grauen Sprenkeln. In seinen Augen lag ein jugendliches Funkeln. Die makellose olivfarbene Haut war von der Sonne schokoladenbraun gebrannt und fast so dunkel wie die seiner Frau.
    Vor zwanzig Jahren hatte Mr. Athanasiou als Hippie die ganze Welt bereist, vor allem die Gegenden, für die sich der Rest der Welt nicht interessierte. Zeugnisse seiner Großtaten blickten von der nackten Backsteinwand in der Küche auf Connie herab: ein postergroßes Schwarz-Weiß-Foto von Mr. Athanasiou als junger Mann, mit Bart und ungewaschenem Haar bis zu den Schultern, wie er in Kandahar neben einer verschleierten alten Frau auf der Straße steht und die Sowjetarmee abziehen sieht. Aber das Foto, das Connie wirklich umgehauen hatte, war ein postkartengroßes gerahmtes Bild des jungen Paares, auf dem Mr. Athanasiou, ausnahmsweise mal ordentlich rasiert, und seine Frau, mit den Händen auf dem schwangeren Bauch, vor einer alten orthodoxen Kirche in Georgien stehen. Die Ikonen auf den Holztüren zu rostfarbenen Geistern verwittert. Nicht lange nachdem das Foto entstanden war, hatte Mr. Athanasiou eine Internetseite für abenteuerlustige – oder törichte – Reisende eingerichtet, die in ihrem Urlaub mehr als einen Sonnenbrand oder ein gestohlenes Portemonnaie riskieren wollten. Er hatte ein Vermögen damit verdient.
    Connie lächelte, als Mr. Athanasiou sie auf die Wange küsste. Durch die gläserne Schiebetür sah sie Jordan am Grill stehen und über irgendetwas lachen, das sein Freund Bryan Macintosh gerade sagte. Irgendeinen Quatsch, so viel war sicher. Bryan Macintosh machte nur blöde Witze. Jordan war genauso braun wie sein Vater. Und

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