Nur für Schokolade
aufklären müßte, vergißt sie. Ihre Versuche, ihm Aussagen über Sylwia R. zu entlocken, schlagen fehl.
»Über eine Sylwia weiß ich nichts!« ist sein ganzer
Kommentar. Die Kommissarin beschließt, die Vernehmung abzubrechen und im Büro des Staatsanwaltes fortzusetzen.
Auch hier ist Leszek stets freundlich: »Guten Tag Herr Staatsanwalt«, mit diesem Gruß betritt er das Büro.
»Setzen Sie sich«, sagt er zu Leszek und deutet auf den bereitgestellten Stuhl. »Sie bleiben hier«, ordnet er die Anwesenheit der beiden Polizisten, die Leszek vorgeführt haben, an. Es ist ihm sichtlich wohler, die beiden Beamten hinter Leszek stehen zu sehen.
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»Sie sind also Leszek Pekalski?«
»Ja, das bin ich«, antwortet der.
»Dann wissen Sie bestimmt schon, warum Sie hier bei mir sind?«
»Nein, zu mir sagt ja keiner was. Man spricht nur immer von einer Sylwia, die ich gar nicht kenne.«
»Soso … wer Sylwia R. war, wissen Sie also nicht?«
»Nein, ich kenne niemanden, der so heißt. Müßte ich das?«
Die arglose Miene, die Leszek dabei aufsetzt, macht dem Staatsanwalt zu schaffen. Er denkt an die Wäschestücke, die vielen Blutflecken, die Ohnmacht, die ihn beim Anblick des Fundes überkam. Es schien ihm, als sei er zu spät gekommen, ganz gleich, was da passiert war. Es schien ihm. als habe er Fehler gemacht, als sei er für den Fund verantwortlich. Und vor ihm sitzt dieser Mensch, grinsend, freundlich, demütig.
Kaminski schreit ihn schließlich an. Leszek zuckt erschrocken zusammen.
»Wir haben in Ihrem Bettkasten blutverschmierte
Kleidungsstücke gefunden! Frauenkleidung!«
Leszek stöhnt kurz, versucht, dem Blick des Staatsanwaltes auszuweichen.
»Wir glauben, daß die alle Ihnen gehören!«
Leszek blickt nicht auf, gibt aber fast trotzig zur Antwort:
»Ja, die sind mein Eigentum.«
»Tragen Sie Damenwäsche?« Der Staatsanwalt tut verblüfft.
Damit hat er nicht gerechnet.
»Nein, aber sie gehören mir. Sie sind alle mein Eigentum!«
Der Anwalt ringt nach Luft, muß sich beherrschen, würde am liebsten aufspringen und sein Gegenüber schlagen. Vor Wut, Empörung, Haß – und Zorn über sich selbst. »Bringen Sie den Mann ins Gefängnis, ich werde mich morgen mit ihm
beschäftigen«, weist er die Beamten an. Leszek steht auf, tritt zwischen die beiden Beamten und verabschiedet sich artig.
»Auf Wiedersehen, Herr Staatsanwalt«, sagt er und verläßt 48
dessen Büro. Wutschnaubend sieht der Leszek hinterher, wie er die Tür des Büros hinter sich schließt.
»Auf Wiedersehen, ja …« dabei denkt der Staatsanwalt laut nach. Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt noch immer die Akte des getöteten Mädchens.
»Der Oberstaatsanwalt ist da. soll ich ihn hereinbitten?«
fragt unvermittelt seine Sekretärin.
Nach einer kurzen Unterredung, bei der er seinem Leiter eine Zusammenfassung der Ereignisse – aus seiner Sicht – schildert, erhält er die Anweisung, sich auf diesen Fall zu konzentrieren.
Er ist zufrieden. Schon am nächsten Tag will er gut
vorbereitet sein – es gilt also, sich wieder in den Fall Sylwia R.
einzuarbeiten. Er will Leszek zu einem Geständnis bringen.
Leszek Pekalski wird noch am selben Tag in das Gefängnis nach Slupsk, einer Stadt im Norden Polens, gebracht. Er ist kleinlaut, spricht kein Wort, ohne daß er gefragt wird. Man weist ihm die Zelle 53 zu. Leszek befindet sich zum ersten Mal in einem richtigen Gefängnis.
Völlig apathisch steht er in dem kleinen Raum und betrachtet die Einrichtung. Ein Tisch, ein Doppelstockbett, ein Einzelbett und ein kleines Wandregal. Noch immer hält er seine
Ausstattung, Decken, eine Tasse und ein Eßgeschirr, die man ihm gegeben hat, in seinen Händen. Er ist völlig unfähig die Gegenstände abzustellen, zu sehr beeindruckt ihn die
Atmosphäre, die in diesem Raum herrscht. Leszek ist umgeben von grauen Wänden, einer schweren Eisentür und einem
kleinen Fenster, das er ohne Stuhl nicht erreichen kann. Er betrachtet die Sprüche an der Wand, die offensichtlich seine Vorgänger hinterlassen hatten, und liest halblaut: »Alles ist vergänglich, auch lebenslänglich!« Und: »Tröste dich mit mir, ich saß auch acht Jahre hier!«
Nachdenklich legt er die erhaltenen Utensilien ab und rückt den kleinen Tisch unter das Fenster. Er klettert hinauf und sieht nur eine große Wiese, umrahmt von einem Weg. Die Wiese 49
endet an einer großen, hohen Mauer, die mit Stacheldraht gekrönt ist. Er steigt vom Tisch und setzt sich auf das
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