Nur für Schokolade
ihm wieder wegnehmen.
»Wir haben in Ihrem Zimmer die blutverschmierte
Unterwäsche dieses Mädchens gefunden.« Der Staatsanwalt blufft, noch ist keines der gefundenen Wäschestücke genauer untersucht oder gar einer bestimmten Person zugeordnet worden. Die Beamtin ergänzt: »Wir sind hier nicht zum Spaß.
Herr Pekalski. Wir haben Beweise gegen Sie.«
»Beweise?« Pekalski wird unsicher, seine Haltung demütig.
»Beweise, die darauf schließen lassen, daß nur Sie allein der Täter gewesen sein können. Wir haben sogar einen Zeugen, der Sie ganz genau erkannt hat, daß Sie am Tattag in Kolczyglowy waren.«
Auch dies ist eine Lüge, doch sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Wie beiläufig legt man ein Paßfoto des Mädchens auf den Tisch, in der Hoffnung, irgendeine Reaktion bei Leszek hervorzurufen. Und tatsächlich. Leszek wird unruhig, starrt auf 52
das Foto, dann wieder zur Beamtin und zum Staatsanwalt. Er fühlt sich gefangen, und sein Gehirn sucht fieberhaft nach Möglichkeiten, zu entkommen. Was soll er sagen, wie soll er sich verhalten?
Während er versucht, sich selbst zu beruhigen, erklingt die sanfte Stimme der Kripobeamtin. »Nun hören Sie mal gut zu, Pekalski! Auf Mord und noch dazu auf so grausame Art verübt, steht bei uns in Polen noch immer die Todesstrafe. Verstehen Sie, die Todesstrafe. Nur wenn wir, der Herr Staatsanwalt und ich, für Sie bei Gericht ein gutes Wort einlegen, wird der Richter vielleicht eine Zeitstrafe verkünden und von einer Verurteilung zur Todesstrafe absehen.«
Sie blickt ihn an und fügt hinzu: »…und Sie wollen doch nicht gehenkt werden, oder?«
»Ohne ein umfangreiches Geständnis in dieser Sache werde ich für die Todesstrafe plädieren und Sie werden sie
wahrscheinlich auch erhalten.« Der Staatsanwalt weiß sehr genau, daß man die Todesstrafe so gut wie abgeschafft hat: sie wird seit Jahren nicht mehr vollzogen. Aber woher soll Leszek das wissen?
Wie ein Hammer treffen ihn die Worte »Todesstrafe« und
»Erhängen«. Er kann nicht mehr klar denken, immer wieder kreisen diese Worte in seinen Gedanken.
»Wir wissen längst«, fügte der Staatsanwalt hinzu, genau erkennend, daß er Leszek dort hat, wo er ihn haben will. »daß Sie ein armer Kerl sind, eine schwere Jugend hinter sich haben.
Nie eine Frau bekamen. Ich habe die Akte B. nochmals sehr genau studiert und Sie haben gesehen, daß das Gericht Sie sehr milde behandelt hat.«
Dies erweckt Vertrauen bei Leszek. Ein Geständnis wird für ihn zur einzigen Möglichkeit, dem Tod zu entrinnen. Er hat Angst.
»Und Sie versprechen mir, daß ich nicht gehängt werde?«
»Ja. Aber ich will alles ganz genau wissen, haben Sie 53
verstanden?«
»Ja.« Leszek zögert, fügt dann aber hinzu: »Ich erzähle es Ihnen ganz genau.«
Die Kripobeamtin schaltet ein Tonbandgerät ein. Leszek Pekalski, inzwischen scheinbar völlig ruhig geworden, fängt mit seiner Erzählung an. Es ist still in dem Raum. Was folgt, ist eine detailreiche Schilderung dessen, was Sylwia R. am Tag ihres Todes widerfahren ist. Leszek Pekalski nennt Daten, die nur der Täter wissen kann, beschreibt, was er getan hat. Er faßt sich dabei immer wieder an die Hose, streichelt sich, redet sich selbst in Rage, ist erregt. Angewidert blicken sich die beiden Zuhörer an. Während der Schilderungen umklammert Leszek die Tafel Schokolade. Als er am Ende seiner Ausführungen ist, wirkt er entspannt. Er wartet offensichtlich darauf, vom Staatsanwalt gelobt zu werden, da er ja nun das gewünschte Geständnis abgelegt hat.
»Muß ich dafür wirklich sitzen, Herr Staatsanwalt?« fragt Leszek, doch er bekommt keine Antwort. Der Staatsanwalt ruft statt dessen zwei Gefangenenwärter: »Bringen Sie diesen Kerl in seine Zelle zurück.«
Leszek ist zwar enttäuscht vom schnellen Ende des
Gesprächs – er hat noch viele Fragen zur Todesstrafe, doch bezahlt gemacht hat sich für ihn das Geständnis: die Tafel Schokolade. Als er danach allein in seiner Zelle sitzt, freut er sich sogar – er ist sich sicher, daß er noch viele Tafeln bekommen wird. Er weiß sehr genau, daß die beiden Beamten noch öfter kommen werden, nachdem man sein Geheim-versteck entdeckt hat, sehr oft sogar.
Und so ist es auch: Jedes Mal, wenn sie Leszek besuchen und ihn glauben lassen, sie hätten genügend Beweise gegen ihn, legt er Teilgeständnisse ab – jedoch nicht ohne vorher sein Honorar zu kassieren. Längst bittet er nicht mehr darum, er fordert es ein. Manchmal eine Tafel,
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