Nur Fuer Schokolade
vergangen. Zeugen gab es keine, außer dem Geständnis Leszeks, das er widerrief.«
Das Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt zieht sich über viele Stunden. Währenddessen wird klar, daß die Staatsanwaltschaft mehr als unglücklich über den bisherigen Verlauf des Verfahrens ist. Zu viele Beweismittel sind weg. zu vieles wurde versäumt. Die Anklage stützt sich auf Dinge, die nur vage auf Leszek Pekalski deuten. Man hat sich verwirren lassen von seinen zahlreichen, in mehreren Versionen wieder und wieder gegebenen Geständnissen, hat sich einen sprich-wörtlich »kurzen Prozeß« erhofft. Und dann dies – ein juristisches Desaster. Hinzu kommt: Es gibt wohl keinen Polizeibeamten mehr in Polen, der nicht einen ungeklärten Fall hat und diesen Leszek Pekalski anhängen will.
Mit ihm ist auch ein Sündenbock gefunden, auf dessen Rücken man verschlafene und unfähig bearbeitete Ermittlungen über Nacht klären könnte. Den Höhepunkt dieser Entwicklung markiert eine Anfrage der Polizei aus Warschau an die Staatsanwaltschaft in Slupsk. Man beauftragt die Staatsanwaltschaft, zu überprüfen, ob sich Leszek Pekalski im Jahre 1965 in Warschau aufgehalten haben könnte, da man zu diesem Zeitpunkt ein Mordopfer fand, für das ein Täter bisher nicht gefunden werden konnte. Die Staatsanwaltschaft gibt die Ermittlungen an die Polizeidienststelle weiter und nach vier Monaten stellt man fest, daß Leszek Pekalski zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geboren war. Heute, mit zeitlichem Abstand, lacht man über diesen Vorfall. Unzählige solcher Ereignisse sind geschehen.
Es ist schon Nacht geworden, als der Oberstaatsanwalt aufbrechen muß. »Morgen muß ich fit sein. Ich werde dem Gericht in aller Frühe das Video vorspielen und ich hoffe doch sehr, damit Erfolg zu haben. Nochmals vielen Dank, daß Sie sich soviel Mühe gemacht haben.«
»Ich mußte immer gestehen«
Es ist Montag, der 2. Dezember 1996. und an diesem Tag soll sich zeigen, welchen Wert es für die polnische Justiz darstellt, eine Videokassette zu haben, auf der Leszek Pekalski vierzehn Morde detailliert gesteht. Er beschreibt in diesen Aufzeichnungen die Opfer sehr genau. Wie könnte er ihre Verletzungen beschreiben, die nur der Täter kennen kann und die völlig identisch mit den Untersuchungsergebnissen der Gerichtsmedizin sind, wenn er es nicht war?
Vor Prozeßbeginn hat sich eine Vielzahl von Presseleuten eingefunden, wie schon lange nicht mehr in diesem zuletzt eher spärlich besuchten Prozeß. Mit diesem Aufgebot an Journalisten hat man erst zur Urteilsverkündung gerechnet –
allerdings wurde noch am selben Abend bekannt, daß ein deutscher Fernsehsender das Geständnis Pekalskis gezeigt hat.
Sofort haben die Medien des Landes erkannt, daß sich heute einiges ändern könnte im Geschehen um den polnischen Schlächter.
Der Prozeß beginnt. Jeder im Saal kann das siegessichere Lächeln des Staatsanwaltes sehen, der nervös auf den Prozeßbeginn wartet. Freudestrahlend begrüßt er die Personen im Saal, die er kennt. Man sieht, daß er heute die Lorbeeren seiner fast vierjährigen Arbeit ernten will. Leszek Pekalski wird in den Gerichtssaal geführt und auch er freut sich – über das große Interesse der Presse. Als die Kameras der Fotografen auf ihn gerichtet werden, bleibt er stehen und lächelt fröhlich in die Linsen. Verärgert über sein Verhalten, ziehen ihn die begleitenden Beamten an seinen Platz. Wieder einmal interessiert ihn das Erscheinen des Gerichts nicht, viel zu sehr ist er damit beschäftigt, sich in Positur zu werfen. Verärgert eröffnet der Vorsitzende Richter den Verhandlungstag und wendet sich an den Staatsanwalt: »Herr Staatsanwalt, haben Sie den Bericht über das Verfahren Leszek Pekalskis im deutschen Fernsehen gesehen?«
»Nein!«
»Schade, sonst würden Ihnen die Haare zu Berge stehen.
Unverständlich, wie die deutsche Presse an Unterlagen kommen kann, die nur dem Gericht zugänglich sein dürfen. Es wurden Aufnahmen der Rekonstruktionen mit Ihnen und dem Angeklagten gezeigt. Doch damit nicht genug, man konnte erfahren, daß man im Besitz der Filme über die gerichts-medizinischen Untersuchungen und von Protokollen der Polizei mit dem Angeklagten ist. Weiterhin wurde das schriftliche Geständnis des Angeklagten, das er in seiner Zelle gefertigt hat, gezeigt. Wo, glauben Sie, Herr Staatsanwalt, hat die Presse solche ungeheuerlichen Unterlagen her?«
Einer Person im Saal schnürte es die Kehle zu. Manch einer ist mehr,
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