Nur Fuer Schokolade
manch einer weniger in die Geschehnisse integriert – und jetzt spricht der Richter verärgert davon. Was wird der Staatsanwalt sagen?
»Herr Vorsitzender, von mir ganz bestimmt nicht, wenn dann von den Polizeibeamten, die die Ermittlungen durch-geführt haben.«
»Ruhe bitte im Zuhörerraum«, fordert der Vorsitzende die Zuhörer auf, die sich lautstark unterhalten. Unverständlich für die polnischen Journalisten, was hier vorgefallen ist, denn sie erhielten in der langen Zeit des Prozesses nicht einmal ein neues Foto von Leszek.
Der Vorsitzende wendet sich Leszek zu und seine Stimme klingt noch gereizter: »Woher haben Sie Ihre neue Kleidung, die Sie seit einigen Tagen tragen?«
Leszek bleibt völlig ruhig, blickt an sich hinab und man hat den Eindruck, er sei mächtig stolz darauf. Nach einiger Zeit hebt er seinen Kopf, blickt zu dem Mann, von dem er den Anzug erhalten hat, und dreht sich dann zum Vorsitzenden.
»Vom Fernsehen.« Das ist Leszeks knappe Antwort und danach gilt sein Blick wieder dem tatsächlich Schuldigen, als wolle er sagen: »Habe ich das gut gemacht?«
»Wie kommt das Fernsehen überhaupt in das Gefängnis, wer hat denn erlaubt, daß die dort filmen dürfen?« Und dabei wendet er sich wieder an den Staatsanwalt. Dessen Antwort schlägt wie eine Bombe ein.
»Sie, Herr Vorsitzender, Sie allein.« Ironie liegt in seiner Stimme. Erschrocken fährt der Vorsitzende zusammen und wendet sich an seine Protokollführerin. Leider kann niemand im Saal die Unterhaltung akustisch verstehen, doch jeder sieht das ständige Nicken der Beamtin, als der Vorsitzende mit dem Finger fragend auf sich deutet.
»Wir machen jetzt eine Pause von dreißig Minuten«, verkündet er und verläßt wutschnaubend mit den Richtern und den Geschworenen den Gerichtssaal.
In der nun folgenden Pause wird der Staatsanwalt mit Vorwürfen der polnischen Presse überhäuft – wie war es möglich, daß ausländische Medienleute an Unterlagen kamen, von denen sie nicht einmal wußten, daß sie existieren? Wie war es möglich, daß Leszek von einem deutschen TV-Team gefilmt wurde, und wer hatte dieses Interview erlaubt?
Gerettet wird der Staatsanwalt in diesem Moment vom Prozeßfortgang.
»Herr Staatsanwalt, ich glaube, wir können die Beweisaufnahme nun abschließen, was glauben Sie?« Völlig ruhig kommt diese Frage, als sei vorher kein lautes Wort gefallen.
»Nein. Herr Vorsitzender, ich bin im Besitz eines Videobandes des deutschen Fernsehens, das mir eigens überbracht worden ist, auf dem der Angeklagte noch vor wenigen Tagen vierzehn Morde gestanden hat. Ich beantrage, daß dieses Band als Beweismittel anerkannt wird und dem Gericht vorgespielt werden kann.«
Leszek Pekalski wird nervös, blickt im Saal umher und kaut an seinen Händen. Ein Zeichen höchster Erregung, aber er wartet ab, was auf ihn zukommen wird.
»Herr Angeklagter, Sie haben gehört, was der Herr Staatsanwalt gesagt hat. Sie sollen ein Geständnis über vierzehn Morde abgelegt haben. Ist das richtig?«
Der Staatsanwalt sieht gespannt zur Anklagebank und lernt einen Leszek kennen, den er noch nie zuvor erlebt hat. Leszek lächelt zum Gericht und muß keine Sekunde überlegen. »Ja, das habe ich den Leuten vom Fernsehen gesagt, weil sie es hören wollten. Sie hatten mir viele Geschenke mitgebracht und ich hatte Angst, wenn ich ihnen so etwas nicht erzählen würde, bekomme ich die Geschenke nicht. Ich habe sie alle angelogen!
Es hat nichts gestimmt, was ich ihnen erzählt habe. Ich habe niemandem etwas getan, wieso sollte ich etwas gestehen?«
»Hat man Sie dazu gezwungen, zu gestehen?« fragt der Vorsitzende.
»Nein, aber ich wollte die Geschenke und die Leute wollten ein Geständnis, genau wie die Polizisten, die haben mir auch immer etwas versprochen, wenn ich etwas zugebe. Ich hatte das Gefühl, wenn ich ihnen nicht erzähle was sie hören wollen, bekomme ich die Geschenke nicht.« Mit einem siegessicheren, spöttischen Lächeln sieht er den Staatsanwalt an, der angewidert zusammenfährt. Erst nach einiger Zeit fängt der sich und stellt nochmal den Antrag, das Video als Beweismittel zuzulassen, vergißt aber dabei, die beiden Beamten zu erwähnen, die bezeugen können, wie alles abgelaufen ist.
Zwei Menschen, die Leszek seit Jahren betreuen und ihn besser kennen als andere in diesem Gerichtssaal.
»Das Gericht lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft ab.
Einverstanden, meine Herren?«
Die beiden Verteidiger nicken den Richtern zu. Der
Weitere Kostenlose Bücher