Nur in deinen Armen: Roman
Büsche konnte er nicht mehr sehen, als er an eine Stelle der Hecke kam, an der die Pflanzen abgestorben waren. Es gab eine Lücke, gerade groß genug für ein Pferd.
Zu beiden Seiten der Lücke knackten die Äste, als er sich hindurchschob. Er betrachtete einen der Äste genauer. Er war gebrochen, nicht erst heute Morgen, auch nicht gestern, doch der Bruch war noch nicht alt.
Von der anderen Seite der Hecke hörte er das Rascheln von Röcken und einen schnellen, leichten Schritt. Lucifer blickte auf, all seine Sinne waren angespannt.
Die Schritte hielten inne, eine kleine Hand erschien und berührte einen abgebrochenen Ast.
Der Eigentümer dieser Hand trat durch die Lücke in der Hecke.
Sie keuchte auf und wäre beinahe zurückgewichen, als sie ihn sah.
Lucifer starrte sie an.
Phyllida erwiderte seinen Blick.
Einen kurzen, wilden Augenblick lang flackerte die Erinnerung an ihren Kuss von der gestrigen Nacht in ihren Augen auf, auch Lucifer fühlte, wie die Erinnerung daran heiß und stark in ihm aufstieg. Dann blinzelte Phyllida und sah nach unten auf den Zweig, den sie noch immer in der Hand hielt. »Was hast du gefunden?«, wollte sie wissen.
Wenn er sein Wissen mit ihr teilte, würde sie ihm eher vertrauen. Er blickte hinter sich auf den Pfad. »Ich glaube, hier ist jemand geritten und hat sein Pferd hinter den Büschen abgestellt.«
Sie drückte sich durch die Lücke und bemühte sich, die Stelle zu sehen, doch die Biegung im Weg verhinderte das. »Du meinst, hinter den Büschen?«
»Dort gibt es eine kleine Lichtung.«
»Zeig es mir.« Sie schob sich weiter durch die Hecke. Äste drohten, den dünnen Stoff ihres blauen Kleides zu zerreißen.
»Nein!« Er schob sie zurück. »Du solltest deinen Sonnenschirm als Schutz benutzen.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. Er zeigte ihr, wie er sich das vorstellte, den geöffneten Sonnenschirm hielt er vor sie, dann schob sie sich durch die Lücke, ohne ihr Kleid zu zerreißen. »Danke«, sagte sie und hob den Sonnenschirm wieder hoch.
Er deutete mit der Hand auf den Weg vor ihnen, dabei war er gar nicht sicher, dass er sie so nahe bei sich haben und auch noch mit ihr allein sein wollte. Immer wieder musste er sich ins Gedächtnis rufen, dass sie weitaus unschuldiger war, als ihr Benehmen vermuten ließ. Keine leichte Aufgabe, wo doch alles, woran er sich erinnern konnte, ihre sanften Lippen auf seinen waren, ihre Zunge … Er schüttelte den Kopf. »Die Lichtung ist hinter diesen Dornenbüschen.«
Auf der Lichtung blieb sie stehen. Er bückte sich und zeigte ihr, was er gefunden hatte, die deutlichen Abdrücke von Vorderhufen mit einem sorgfältig geschmiedeten Hufeisen.
»Kannst du aus diesen Eindrücken irgendetwas ersehen?«
Er schüttelte den Kopf und richtete sich wieder auf. »Die Hinterbeine standen auf härterem Untergrund, und das Pferd hat nicht lange genug hier gestanden, um sich ausgiebig zu bewegen.« Er runzelte die Stirn und sah noch immer auf den Boden. »Aber die Hufeisen haben eine gute Qualität.«
»Also ist es unwahrscheinlich, dass es sich um ein Arbeitspferd gehandelt hat, eines, das man zum Pflügen benutzt …«
»Nein, aber es könnte jedes normale Pferd gewesen sein.« Er trat zurück auf den Pfad, und Phyllida kam hinter ihm her. Ohne ein weiteres Wort gingen sie zum Herrenhaus.
Die Versuchung war stark, doch Lucifer ignorierte sie. Er warf einen Blick zurück, in ihrem Gesicht waren keine Anzeichen dafür zu entdecken, dass auch sie daran dachte, doch das war bei ihr meistens so. Ihr Gesicht war eine Maske, nur ihre Augen verrieten ihm, was sie fühlte, und sie vermied es sorgfältig, ihn anzusehen. Genauso sorgfältig war sie darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, während sie nebeneinander hergingen.
Er sah nach vorn und holte tief Luft. »Wir können annehmen, dass der Mörder am Sonntagmorgen hierher geritten ist, dass er sich durch die Hecke geschoben hat und sein Pferd hinter den Büschen hat warten lassen, während er zum Herrenhaus ging. Woher könnte er gekommen sein?«
»Du meinst, aus welcher Stadt?«
Er nickte.
»Lyme Regis ist in der Nähe, ungefähr sechs Meilen von hier, aber der Weg führt an der Küste entlang, und wenn jemand von dort gekommen wäre, wäre er durch das Dorf geritten.« Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. »Die alte Mrs Ottery lebt in einem Bauernhaus neben dem Bells. Sie ist an den Stuhl gefesselt und verbringt den Sonntagmorgen damit, den Dorfanger zu beobachten. Sie
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