Nur Mut, liebe Ruth
nicht“,
sagte Katrin. „Wie wollen Sie die Diebin fangen?“
„Ach, die wird uns schon
irgendwann mal ins Netz gehen.“
„Und vorher hat sie womöglich
noch soundsoviel alte Menschen bestohlen!“ rief Ruth.
„Verlaßt euch darauf, wir
werden unser Bestes tun, sie so schnell wie möglich unschädlich zu machen.“ Der
Kriminalinspektor lächelte leicht. „Zudem sind tausend Mark Belohnung für ihre
Verhaftung ausgesetzt.“
„Und wir, wie können wir Ihnen
dabei helfen?“ fragte Katrin. „Gar nicht. Kleine Mädchen wie ihr gehören in die
Schule. Seht zu, daß ihr gute Zensuren nach Hause bringt. Das Fangen von
Verbrechern überlaßt besser der Polizei.“
Das war nun eine Antwort, die
Katrin und Ruth ganz und gar nicht befriedigte. Beide fanden Kriminalinspektor
Maurer recht undankbar. Aber sie konnten nichts tun, sondern mußten sich damit
abfinden.
Auch die Freundinnen, die
geduldig unten gewartet hatten, waren ziemlich enttäuscht. Alle hatten sich den
Verlauf der Dinge ganz anders vorgestellt. Sie hatten gehofft, der
Kriminalinspektor würde nach Ruths Beschreibung sofort sagen: „Aha, jetzt weiß
ich, wer es gewesen ist!“ Und er würde losfahren, die Betrügerin zu verhaften.
„Damit ist es nun Essig“, sagte
Silvy seufzend, „aber immerhin, wir haben getan, was wir konnten. Wir brauchen
uns keine Vorwürfe mehr zu machen.“
Alarmstufe
eins
Wahrscheinlich wäre der Fall
der Perückendame sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden — jedenfalls
für die Mädchen von der 6. Klasse — , wenn nicht wenige Tage später die
Osterferien begonnen hätten, vierzehn freie wunderbare Tage, in denen man eine
Menge anstellen, aber sich auch, wenn man Pech hatte, tüchtig langweilen
konnte.
Ausnahmsweise blieben sie alle
in diesen beiden freien Wochen zu Hause. Ruths Eltern konnten nicht fort wegen
des Geschäftes, Müllers wollten nicht, weil Leonores Vater gegen die ewige
Autoraserei war, Herr Helwig, Olgas Vater, hatte nur die Feiertage frei, Frau
Bär war froh, einmal gemütlich in ihrer neuen Wohnung bleiben zu können, und
Silvys Vater, der normalerweise jede Gelegenheit benutzte, um mit seiner
Familie ins Grüne zu fahren, hatte eine schwere Gelbsucht bekommen und war
nicht reisefähig.
So kam es, wie es vorauszusehen
war. Die Freundinnen verabschiedeten sich am letzten Schultag so feierlich, als
wenn sie sich mindestens vier Wochen nicht mehr sehen würden, aber schon am
übernächsten Tag versammelten sie sich, ganz ohne Absprache, in Leonores
gemütlichem Mansardenzimmer. Das Wetter, das bisher so schön gewesen war, war
plötzlich umgeschlagen; es regnete in Strömen, die Welt sah grau in grau aus,
und die Langeweile hatte die Mädchen zusammengeführt.
Natürlich gaben sie es nicht
zu, denn wer stellt sich schon gerne das Armutszeugnis aus, daß er mit seiner
freien Zeit nichts anzufangen weiß! Aber sie stöhnten vereinzelt und im Chor
über das schlechte Wetter, überlegten, was man anfangen könnte, um die heiß
ersehnten Osterferien doch zu einem Erfolg zu gestalten, und ganz unwillkürlich
kam das Gespräch auch auf die Perückendame.
„Zu schade, daß der
Kriminalinspektor so stur war!“ sagte Katrin und kuschelte sich gemütlich in
die hinterste Ecke von Leonores tagsüber als Couch hergerichtetem Bett. „Er
wollte einfach nicht einsehen, was für eine Hilfe wir ihm hätten sein können!“
„So sind nun mal die Männer“,
erklärte Olga weise, die sehr schlechte Erfahrungen mit ihren beiden Brüdern
gemacht hatte.
„Ob wir ihn nicht doch noch
davon überzeugen können?“ meinte Silvy.
„Den? Nie!“ behauptete Ruth im
Brustton der Überzeugung. „Ihr hättet miterleben sollen, wie der uns behandelt
hat. Wir konnten ja von Glück sagen, daß er sich überhaupt gnädigst
herbeigelassen hat, uns zu glauben.“
„Dann“, sagte Leonore, „darf er
sich auch nicht beklagen, wenn wir auf eigene Faust etwas unternehmen!“
Eine Sekunde lang starrten alle
Leonore mit weit aufgerissenen Augen schweigend an. Man hörte nichts als den
Regen, der auf das Mansardenfenster trommelte, und das leichte Schniefen von
Katrin, die sich erkältet hatte.
Aber sie war die erste, die
sich gefaßt hatte. „Du sprichst ein großes Wort gelassen aus!“ rief sie und
begann vergnügt auf der Couch herumzuhopsen. „Freunde, das ist die Idee des
Jahrhunderts! Gehen wir auf Verbrecherjagd!“
Die anderen stimmten in ihre
Begeisterung ein, nur Ruth gab zaghaft zu
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