Nur Mut, liebe Ruth
bedenken: „Bei dem Wetter?!“
„Na, hör mal!“ rief Silvy. „Das
wäre ja noch schöner, wenn Verbrecher bei schlechtem Wetter ungeschoren
davonkämen!“ Leonore wartete, bis der erste Sturm sich gelegt hatte, dann sagte
sie: „Wir müssen uns einen Plan machen!“
Das sahen alle ein, und sie begannen,
sich die Köpfe zu zerbrechen. Aber was dabei herauskam, war nicht viel. Olga
machte den Vorschlag, daß jeder ein bestimmtes Stadtviertel durchstreifen
sollte, und da niemandem etwas Besseres einfiel, wurde er angenommen. „Dann
ziehen wir also gleich morgen los“, sagte Olga.
„Warum nicht jetzt?“ rief
Katrin.
Dazu hatte niemand große Lust,
aber keines der Mädchen wollte das zugeben. Sie erhoben sich seufzend und
unwillig, als wenn sie eine schwere und unangenehme Aufgabe vor sich hätten,
und hatten fast schon vergessen, daß sie sich ja ganz freiwillig auf diese
Sache einließen.
Sie machten aus, welches
Stadtviertel jede von ihnen übernehmen sollte.
„Aber wenn wir die Perückendame
nun gefunden haben“, piepste Ruth, „wie soll’s dann weitergehen?“
„Dann, ja, dann...“ Katrin
legte den Finger an die Nase, „muß diejenige welche ihr natürlich auf den
Fersen bleiben!“
„Und... weiter?“ fragte jetzt
auch Olga.
„Sie darf sich nicht
abschütteln lassen!“
„Du weißt nicht, wie so etwas
ist“, sagte Ruth, „ich habe es schon einmal erlebt. Es kommt der Moment, wo man
völlig aufgeschmissen ist.“
„Ja, man muß eine Möglichkeit
haben, die anderen zur Unterstützung zu holen“, sagte Leonore, „deshalb ist es
am besten, wenn eine von uns zu Hause bleibt und Telefondienst macht. Am besten
fange ich heute damit an. Ihr müßt euch alle Stunde bei mir melden, damit ich
euch, wenn jemand die Perückendame tatsächlich aufgestöbert hat, dorthin
dirigieren kann.“
„Alle Stunde anrufen“, murrte
Olga, „das wird ein teurer Spaß.“
„Muß es uns wert sein“,
erklärte Silvy.
„Probieren wir es heute mal
so“, sagte Leonore, „vielleicht fällt uns bis morgen was Besseres ein.“
Sie sah zu, wie die Freundinnen
sich in ihre Regenmäntel pellten, und brachte sie hinunter zur Haustüre. Sie
winkte ihnen nach, bis sie im Regen verschwunden waren. Dann zog sie sich mit
einem dicken Schmöker in das Arbeitszimmer ihres Vaters zurück, das tagsüber,
während Rechtsanwalt Dr. Müller in seiner Kanzlei war, natürlich leer stand.
Leonore hatte keine große
Hoffnung, daß eines der Mädchen die Perückendame tatsächlich entdecken würde,
genauer gesagt, sie hielt es für völlig ausgeschlossen. Aber sie machte sich
keine Gedanken darüber. Es war für sie eben ein Spiel wie jedes andere, und sie
hoffte nur, daß es Spaß machen würde.
Genau eine Stunde nach dem
Abgang der Freundinnen klingelte zum ersten Mal das Telefon. Leonore nahm den
Hörer ab, meldete sich und hörte Katrins Stimme.
„Im Westen nichts Neues“, sagte
Katrin, „es regnet noch immer... hatschi... und ich kriege kalte Füße!“
„Willst du weitermachen?“
fragte Leonore.
„Na klar. Auf diese Weise lerne
ich doch mal unsere alte Stadt kennen. Ich habe überhaupt nicht gewußt, daß es
hier so interessante Straßen gibt, fremder könnte die Gegend für mich in London
auch nicht sein.“
„Dann melde dich, bitte, in
einer halben Stunde wieder.“
Die nächste, die anrief, war
Ruth. Auch sie hatte nichts Verdächtiges entdeckt.
„Du, halte mich nicht für einen
Feigling“, sagte sie, „aber ich rufe von zu Hause an. Ich habe ja die
Innenstadt übernommen, und da fand ich es gar keine schlechte Idee, mich
zwischendurch mal aufzuwärmen.“
Leonore lachte. „Deshalb
brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen! Du lieber Himmel, nimm den ganzen
Quatsch bloß nicht zu ernst!“
Ruth seufzte erleichtert. „Bin
ich froh, daß du die Sache so ansiehst! Trotzdem werde ich mich nachher noch
mal auf die Socken machen, schon der anderen wegen.“
Fünf Minuten später rief Olga
an. Auch sie hatte nichts Besonderes gesehen.
„Na, und wie geht es dir
sonst?“ fragte Leonore.
„Grauenhaft“, jammerte Olga,
„ich wollte es ja vorhin vor den anderen nicht sagen, aber diese
Detektivspielerei ist doch die blödeste Kateridee, von der ich je gehört habe!“
„Es zwingt dich ja niemand“,
erklärte Leonore, „warum gehst oder fährst du nicht einfach nach Hause?“
„Meinst du wirklich, das könnte
ich tun?“
„Unbedingt. Herauskommen tut
bei dieser Herumsauserei doch
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