Nur Mut, liebe Ruth
und Putzen von Leonores
Mansardenzimmer zu helfen, und das war gut so, denn in der nächsten halben
Stunde trudelten nacheinander die anderen Freundinnen ein. Zu Müllers Haus
gehörte zwar ein hübscher Garten, aber noch war es zu feucht, um dort zu
sitzen, und außerdem sollten ja auch Leonores Geschwister auf keinen Fall etwas
von der geheimen Beratung mitbekommen, also blieb Leonores Zimmer der einzig
richtige Versammlungsort.
Die erste halbe Stunde redeten
sie alle aufgeregt durcheinander, und es war ein Glück, daß Frau Müller einen
Krug Limonade gestiftet hatte, so daß sie zwischendurch immer wieder ihre
trockenen Kehlen anfeuchten konnten. Aber viel heraus kam bei dem ganzen
Geschrei nicht.
Jede einzelne hatte sich zwar
einen Plan gemacht, aber der eine war so abenteuerlich und undurchführbar wie
der andere und wurde nach einigem Hin und Her zurückgezogen oder abgelehnt.
Olga zum Beispiel schlug vor,
daß sie, die am besten zeichnen konnte, ein Bild nach Ruths Angaben von der
Perückendame anfertigen sollte. Dieses Bild sollte dann vervielfältigt und an
sämtliche Mädchen der 6. Klasse verteilt werden, ja, man sollte sogar
versuchen, die Schülerinnen der 5. und 7. Klasse ebenfalls für die
Verbrecherjagd zu interessieren, so daß ein riesiges Netz von jungen
Detektivinnen über die ganze Stadt ausgespannt werden konnte. Sie war natürlich
beleidigt, als sie mit ihrem Vorschlag nichtdurchkam.
„Also ich finde“, überschrie
Katrin die anderen, „das mit der Zeichnung ist doch eine ganz gute Idee! Dann
wüßten wenigstens auch wir, wie die Perückendame wirklich aussieht!“
Das leuchtete den anderen ein.
Olga sträubte sich erst eine
Weile, spielte, wie üblich, die beleidigte Leberwurst und ließ sich bitten.
Aber dann siegte doch die Genugtuung darüber, wenigstens mit einem Teil ihres
Planes Anerkennung gefunden zu haben, und sie erklärte sich bereit, das
Portrait der Verbrecherin zu skizzieren.
Leonore holte einen
Zeichenblock und einen Kohlestift herbei, und es ging los!
„Wie war das Gesicht? Rund?
Oval oder eckig?“ fragte Olga. „Oval“, erklärte Ruth prompt.
„Die Nase?“
„Schmal!“
So ging es weiter, Zug um Zug,
und die Mädchen staunten, wie sicher Ruth mit ihren Angaben und wie fix Olga
mit deren Ausführung war. Schnell war das Portrait fertig.
Silvy, Katrin und Leonore
fanden es ganz fabelhaft, aber Ruth schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir
leid, Olga, das ist eine schnafte Zeichkung. Aber die Frau auf dem Bild hat mit
der Perückendame leider nicht die geringste Ähnlichkeit.“
„Das kann nicht sein!“ Schon
schossen Olga die Tränen in die Augen. „Ich habe es doch genauso gemacht, wie
du gesagt hast!“
„Nun reg dich doch um Himmels
willen nicht auf, Olga, es war ja nur ein Versuch!“ rief Leonore.
„Vielleicht habe ich es auch
falsch gesagt“, gab Ruth zu.
„Ja, und mit Absicht, um mich
hereinzulegen!“ schrie Olga. „Das bestimmt nicht“, sagte Ruth versöhnlich, „das
schwöre ich dir! Aber es ist eben furchtbar schwer, jemanden aus dem Handgelenk
ganz genau zu beschreiben.“
„Nun zankt euch nicht, Freunde,
das hat doch keinen Zweck“, mischte sich Katrin ein, „und du hör auf, Gesichter
zu ziehen, Olga. Das ist eine prima Zeichnung, ich kriegte so ein Bild nicht
hin, selbst wenn mir mein Vorbild gegenübersäße.“
„Wenn Ruth die Person nicht
richtig beschreiben konnte, hätte sie mich gar nicht erst zeichnen lassen
müssen“, murrte Olga.
„Ruth hat ja nicht gewußt, daß
sie es nicht konnte, bevor sie es versucht hatte“, sagte Silvy, und mit einiger
Bosheit fügte sie hinzu: „Ihre Beobachtungsgabe scheint eben doch nicht so
ungeheuer gut zu sein, wie sie uns weismachen will.“
„Schiebt mir nur den Schwarzen
Peter zu“, sagte Ruth, „ich bin stark im Nehmen.“
Leonore wollte sich noch einmal
Limonade einschenken, aber aus dem Krug kam gerade nur noch ein Tröpfchen.
„Darauf brauchst du dir auch nichts einzubilden, Ruth“, sagte sie, „bisher ist
es ja keiner von uns besser gegangen. Alle unsere wunderbaren Pläne haben sich,
bei Licht betrachtet, als idiotisch erwiesen.“ Sekundenlang sahen sich alle
einigermaßen betroffen an.
Dann piepste Ruth: „Aber ihr
kennt meinen ja noch gar nicht!“
„Stimmt wahrhaftig!“ rief
Katrin. „Hast du auch noch mal über den Fall nachgedacht?“
„Ich habe die ganze Nacht kein
Auge zugetan!“
„Schamlos übertrieben“,
bemerkte Silvy trocken.
Ruth
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