Nur noch diese Nacht
maskulin gehalten: Klare Linien, offene Flächen, Hängetreppen und Steinfußböden beherrschten das Bild. Doch die Inneneinrichtung war alles andere als sparsam oder nackt.
Leuchtende, kühn miteinander kontrastierende und dennoch geschmackvoll aufeinander abgestimmte Farbtöne nahmen die Stimmung des Meeres und der untergehenden Sonne auf und erfüllten die Räume mit Wärme und Leben. Und die spektakulären Bilder an den Wänden verbanden Asiatisches und europäische Moderne in einer stilvollen Mischung, die von sicherem Stilgefühl und Kunstverstand sprach.
Der Mitteilteil des Hauses war fast völlig offen konstruiert, sodass sich von Eingangsbereich, Salon, Küche und Bar ungehindert Blicke aufs Meer boten, nur auf der linken Seite gab es sparsame räumliche Unterteilungen. Durch die Hanglage des Hauses bildete das Geschoss, in dem man durch die ebenerdige Haustür eintrat, eigentlich bereits die erste Etage, sodass die Terrasse über dem sich hinter dem Haus ausbreitenden Ozean zu schweben schien.
„Das ist atemberaubend, Ryan.“
Er stand an der Fensterfront und lächelte zufrieden. „Es wird noch besser. Komm, ich zeige dir etwas.“
Nachdem er einige Schlösser entriegelt hatte, ließ er die breiten Glastüren aufschwingen, sodass der Raum nun nahtlos in die große Terrasse überging. Eine frische salzige Brise wehte durchs Haus und trug das Rauschen der Brandung in den lichtdurchfluteten Raum.
Zufrieden wippte Ryan auf den Zehen. Ihm war anzusehen, wie er es genoss, dass Claire das Haus gefiel. „Schön, nicht?“
Ja. Am liebsten hätte sie ihr Haar hochgesteckt, die Arme ausgebreitet, damit die herrliche Brise ihren Nacken streifen und mit ihren Kleidern spielen konnte. Stattdessen strahlte sie und bestätigte: „Ja, das ist es.“
„Küche, Ess- und Wohnbereich befinden sich hier auf dieser Etage. Mein Reich befindet sich einen Stock höher. Claire, wenn du dich vor der Fahrt ins Hotel frisch machen möchtest, zeige ich dir die Gästesuite.“
Ryan führte sie ein Stockwerk tiefer und hielt ihr die letzte Tür rechts auf. Dort befanden sich eine Sitzecke, ein Bad und ein Schlafzimmer, von dem sich ebenfalls ein atemberaubender Blick aufs Meer bot. Fasziniert von der eleganten Ausstattung der Gästesuite, schlenderte Claire umher und betrachtete Bilder und Kunstgegenstände. Ryan besaß wirklich erlesene Sammlerstücke.
Das Schlafzimmer führte auf eine zweite, tiefer gelegene Terrasse hinaus, die von der oberen teilweise überragt wurde. Beeindruckt trat Claire ans Fenster und fragte sich, wie Ryan es bei so einer Aussicht überhaupt schaffte, zu arbeiten.
Dann fiel es ihr ein. „Du wohnst hier nicht wirklich, stimmt’s?“
Er lehnte an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt. „Nein. Für mich ist das hier eher so eine Art Rückzugsort. Die meiste Zeit verbringe ich zwischen Boston und Los Angeles. Ich dachte, hier spürt man uns nicht so leicht auf.“
„Willst du mich hier verstecken?“, fragte Claire, obwohl ihr bewusst war, dass das in ihrem eigenen Interesse war. Schließlich wollte sie nicht, dass bekannt wurde, dass sie verheiratet waren. „Bin ich dein schmutziges kleines Geheimnis?“
„Genau.“ Ryan lachte kurz auf. „Stell dir mal vor, wie rufschädigend es für mich wäre, wenn herauskäme, dass ich ein halbes Kind geheiratet habe.“
„Ich war achtzehn.“
Wieder lachte er rau. „Man hätte mich erschießen sollen.“
Der alte Scherz. Nur war Claire diesmal nicht zum Lachen zumute. „He, für eine Weile war es doch ganz schön mit uns. Wir waren beide nur so … naiv.“
Die lockere Stimmung war verflogen. Einen Moment lang sah Ryan sie eindringlich an, dann blickte er aufs Meer hinaus. Immerhin wussten sie beide, warum er sie geheiratet hatte. Und obwohl Claire wünschte, es wäre nicht so gekommen, musste sie sich eingestehen, dass Ryan ehrenhaft gehandelt hatte.
„Ja, das waren wir.“
Schlichte Worte, doch sie klangen irgendwie hohl und rührten an Wunden in ihrer Seele, an die sie nicht erinnert werden wollte. Aber natürlich waren die Erinnerungen sofort da. Gute und schlechte, bittere und schmerzliche. Claire wurde von bedrückenden und dunklen Gefühlen überschwemmt, die sie verdrängen wollte, spürte die Verzweiflung, die sie fast das Leben gekostet hätte.
Auf keinen Fall wollte sie sich ihr wieder aussetzen.
Vor ihren Augen verschwamm mit einem Mal alles, sie taumelte und hatte das Gefühl, der Boden gebe unter ihren Füßen
Weitere Kostenlose Bücher