Nur noch diese Nacht
Aktenordnern.
Mit der Vermögensaufteilung ging es langsam, aber stetig voran. Da sie an keinen festen Termin mehr gebunden waren, hatten sie es sich angewöhnt, sich vormittags nach dem Aufstehen immer erst eine Auszeit zu gönnen, bevor sie sich ins „Scheidungszentrum“ begaben: Sie gingen am Strand joggen, machten Erkundungsgänge zu den Flutteichen oder den Höhlen an der Bucht. Oft frühstückten sie auf der Terrasse eines Cafés im Ort, von der sie die waghalsigen Wendemanöver der Surfer von La Jolla beobachten konnten.
An diesem Vormittag besuchten sie den Markt, in dessen Umgebung es stets schwer war, einen Parkplatz zu finden. Ryan ließ Claire vor dem Eingang aussteigen, während er nach einer Parkmöglichkeit suchte. Endlich fand er einen freien Platz.
Zufrieden sprintete er zum Tor des Schulhofs, auf dem der Markt sonntags abgehalten wurde. Im Handumdrehen hatte er Claire entdeckt. Mit ihrem dunklen Pferdeschwanz, der blauen Baseballkappe und dem orangefarbenen T-Shirt war sie nicht zu übersehen, doch sein innerer Kompass hätte sie auch so schnurstracks geortet.
Er eilte zu ihr und legte ihr die Hand auf die nackte Haut, die zwischen dem kurzen Oberteil und den Hüftjeans zu sehen war. „Ich wusste, dass ich dich hier finden würde.“
Mit leuchtenden Augen sah Claire ihn an und wandte sich wieder dem Stand zu, an dem wunderschöne Blumen in allen Farben angeboten wurden.
„Ich nehme die Sonnenblumen.“ Strahlend deutete sie auf den Strauß ihrer Wahl. Ryan bemerkte, dass Männer in ihrer Nähe stehen geblieben waren und ihr bewundernde Blicke zuwarfen. Er konnte es ihnen nicht verdenken.
Als Claire ihre Geldbörse zücken wollte, verdrehte Ryan die Augen und hielt sie davon ab. „Ich schenke dir die Blumen und lade dich zum Essen ein. Wir betrachten das hier als Verabredung, einverstanden?“
„Verabredung?“, fragte sie begeistert.
„Es ist lange her, dass wir das letzte Mal eine hatten, oder?“
Ryan tauschte einige Geldscheine gegen den Sonnenblumenstrauß, den die Verkäuferin in alte Zeitungen wickelte, und reichte ihn Claire, die ihn an sich drückte und leicht errötete. „Danke, Ryan.“
Verflixt, wenn sie ihn so ansah, durchströmte ihn eine unbändige Wärme, die nichts mit Gedanken an Sex zu tun hatte.
Schnell verdrängte er diese Empfindungen und lotste Claire tiefer in das Marktlabyrinth hinein. Inmitten von Ständen mit Kunsthandwerk, Obst, Gemüse und leckeren Backwaren würde ihr hoffentlich nicht auffallen, dass ihr zartes Erröten ihm mächtig unter die Haut gegangen war.
Nur gut, dass Claire morgen wieder in New York sein würde, für mindestens zwei Wochen. Ihr Lächeln mochte ihn verzaubern, aber sie wussten beide, dass ihre gemeinsame Zeit nicht von Dauer sein konnte. Vielleicht war es mit ihnen nur deshalb so fantastisch, weil das Ende abzusehen war.
Der Paradiesfaktor. In La Jolla befanden sie sich außerhalb des wirklichen Lebens.
Hier gab es keine Probleme. Nur Spaß.
Sie hatten gar nicht genug Zeit, um ihre Beziehung zu vertiefen.
Nächsten Monat dürfte die Regelung der Vermögensfrage abgeschlossen sein. Dann würde die Scheidung kommen, und die Zeit mit Claire war vorbei.
An den Tag wollte Ryan lieber nicht denken.
Unauffällig betrachtete er Claire von der Seite. In ihrem frechen Freizeitoutfit sah sie einfach zum Anbeißen aus. Wie hatte er glauben können, immun gegen sie zu sein? Ihr bloßer Anblick machte ihn …
Mit einem spielerischen Hüftstoß riss Claire ihn aus seinen Tagträumen und strahlte ihn mit ihren blauen Augen an. „Ein sagenhafter Markt voller Versuchungen, Ryan.“
„Welchen kannst du denn am wenigsten widerstehen?“
Sie deutete auf mehrere Stände. Ihre Schwächen reichten von leckerem Gebäck über selbst gemachte Seifen bis zu Wandbehängen und verrücktem Schnickschnack. Interessiert sah Ryan sich um. An Claires Seite nahm er den Markt ganz neu wahr.
Sie bahnten sich einen Weg zwischen der Menge hindurch und kamen zu einem weitläufigen Rasen, der von weiteren Ständen umgeben war. Mitten im Grünen saßen Leute beim Picknick und lauschten einer Gitarrenspielerin, die eine so fantastische Stimme hatte, dass man die Augen schließen und träumen wollte.
„Hast du Hunger?“, fragte Ryan, dessen Magen sich zu melden begann. „Setz dich hierhin, ich hole uns etwas.“
„Ehrlich gesagt, bin ich am Verhungern. Was gibt es hier Leckeres?“
Wenige Minuten später kehrte Ryan mit zwei Wasserflaschen unterm Arm
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