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Nur Wenn Du Mich Liebst

Titel: Nur Wenn Du Mich Liebst Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hände in die Laken geklammert.
    »Oh Gott, sieh sie dir an«, flüsterte Susan, die Hand vor dem Mund. »Sie hat solche Schmerzen.« Sie ließ sich auf den Stuhl neben dem Bett fallen und weinte leise.
    Ihre Mutter öffnete die Augen, nahm all ihre Kraft zusammen und hob den Kopf von dem Kissen. »Was ist denn los, Kleines?«, fragte sie Susan. Und dann wurde ihr Körper von einem weiteren Krampf geschüttelt, und sie stieß einen lauten durchdringenden Schrei aus, der die Schwestern herbeieilen und einen jungen Arzt hektisch nach einer Ampulle greifen ließ. Nachdem er ihrer Mutter eine Morphiumspritze gegeben hatte, sah Susan dankbar zu, wie sich der verkrampfte Körper ihrer Mutter langsam entspannte und die tiefen Falten in ihrem Gesicht sich glätteten wie ein zerknülltes Stück Papier, das sich in der offenen Hand wieder entfaltet.
    »Vielleicht sollten Sie nach Hause gehen und sich ein wenig ausruhen«, riet der junge Arzt ihr.
    Susan schüttelte den Kopf und klammerte sich fest an Vickis Hand.
    »Susan?«
    »Ja, Mom?«
    Doch ihre Mutter war bereits eingedöst. Susan beugte sich vor, rückte die Perücke zurecht und zog das Laken unter ihr Kinn. Dann ließ sie sich in den Stuhl zurücksinken und sah zu, Vickis Hand auf ihrer Schulter, wie ihre Mutter atmete. »Ich bin hier, Mom«, flüsterte sie. »Ich bin hier.«

25
    Susans Mutter starb vier Tage später.
    Sowohl Susan als auch ihr Bruder wollten sie so bald wie möglich beerdigen, mussten die Bestattung jedoch um eine Woche verschieben, um ihrer Schwester Zeit zu lassen, mit dem Zug aus Kalifornien anzureisen. »Es war schrecklich«, berichtete Diane jedem, der zufällig zuhörte. »Ich habe drei Tage lang nicht geschlafen. Mir ist immer noch übel. Und der Gedanke an die Rückfahrt...«
    So klagte sie, seit Susan sie am Bahnhof abgeholt hatte. Sie weigerte sich, das Bestattungsinstitut zu besuchen, Aufbahrungen seien barbarisch und unsensibel, befand sie. Außerdem war sie zu gerädert, erklärte sie und zog sich in Susans Gästezimmer zurück. Das Bett war natürlich zu klein, die Matratze zu weich und die Musik aus Ariels Zimmer zu laut. »Ich weiß schon, warum ich keine Kinder habe«, sagte Diane mehr als einmal, fand jedoch nichts dabei, sich von Whitney Getränke, Sandwiches und Zeitschriften bringen zu lassen. Und anstatt sich zu bedanken, meinte sie: »Mein Gott, die Zeitschriften sind ja uralt.«
    Bei der Beerdigung ging es so weiter. Diane trug von Kopf bis Fuß schwarz, trotz des heißen Augusttages blickdichte dunkle Strümpfe und einen weichen, mit Federn besetzten Hut, dessen durchsichtiger Schleier ihr Gesicht vollkommen bedeckte.
    »Wo hat deine Schwester denn den aufgetrieben?«, fragte Barbara Susan in der Kapelle.
    »Ich glaube, sie lebt schon zu lange in Hollywood«, meinte Chris.
    »Bist du sicher, dass sie keine arabische Terroristin ist?«, fragte Vicki.
    Irgendwie ging es bei der ganzen Beerdigung nur um Diane. Während Susan und Kenny mit anderen Trauernden Erinnerungen an ihre Mutter austauschten und sogar Ariel einigermaßen manierlich aussah und ihrer heiß geliebten Großmutter leise und rührend Tribut zollte, handelten Dianes Nachrufe nur von ihr selbst, ihren diversen Triumphen über die Widrigkeiten des Lebens, unter denen der Tod ihrer Mutter nur das Letzte einer langen Reihe von Kreuzen war, die sie zu tragen hatte. »Möchtest du eine Kopie von meiner Rede?«, fragte sie Susan nach dem Gottesdienst und noch einmal auf dem Friedhof.
    »Möchtest du eine Kopie von meiner Rede?«, hörte Susan sie später Kennys Frau Marilyn fragen. Susan hatte alle Trauergäste zu Kaffee und Kuchen zu sich nach Hause eingeladen und war nun damit beschäftigt, sich um die Versorgung der Gäste zu kümmern. Diane hielt derweil in der Mitte des Wohnzimmers Hof. »Die Zugfahrt war die reine Hölle«, hörte Susan sie deklamieren. »Das ewige Anhalten und wieder Abfahren und das verdammte Gepfeife. Ich glaube, dass ich in den drei Nächten zusammengenommen nicht mehr als zwei Stunden geschlafen habe.«
    »Sie ist so egozentrisch«, bemerkte Barbara.
    »Sie hat Probleme, ihre Trauer zu bewältigen«, räumte Chris ein.
    »Sie ist eine dumme Fotze«, sagte Vicki.
    »Psst«, quiekten Chris und Barbara beinahe unisono. »Lass Susan das bloß nicht hören.«
    »Zu spät«, sagte Susan, die in diesem Moment in die Küche kam und unaussprechlich dankbar war, ihre drei besten Freundinnen vor dem mit Essen beladenen Tresen versammelt zu sehen. Seit

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