Nur Wenn Du Mich Liebst
unwillkürlich an den Falten ihres Rocks. Du siehst auf gar keinen Fall aus wie sechsunddreißig, schalt sie ihr Spiegelbild stumm und fuhr sich mit der Zungenspitze über ihre rosa glänzenden Lippen. Schon eher wie sechsundzwanzig, vielleicht sogar noch ein Jahr weniger. Wenn sie sich ein wenig anstrengte, würde sie möglicherweise noch als eine der jungen Studentinnen ihres Mannes durchgehen.
»Um nichts in der Welt wollte ich noch einmal ein Teenager sein«, hatte Susan einmal erklärt, und Vicki und Chris hatten zustimmend genickt.
Ich würde alles geben, noch einmal ein Teenager zu sein, hatte Barbara damals wie heute gedacht. Noch einmal das schönste Mädchen von Cincinnati zu sein, mit Rosen im Arm und die Stadt zu ihren Füßen. Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, und wählte rasch Chris' Nummer, während sie dachte, dass es ihrer Freundin gar nicht ähnlich sah, nicht anzurufen, wenn sie zu spät kam.
»Hallo?«, antwortete eine männliche Stimme nach dem dritten Klingeln.
»Tony?« Was machte der am helllichten Tag zu Hause? Hatte er nicht im vergangenen Monat eine neue Stelle angetreten? »Hier ist Barbara«, sagte sie, als ihr nichts anderes einfiel. »Ich suche Chris. Wir sind zum Mittagessen verabredet.«
»Ich fürchte, Chris kann nicht kommen. Sie fühlt sich nicht besonders.«
»Nicht? Als ich heute Morgen mit ihr gesprochen habe, ging es ihr noch gut.«
»Tja nun, was soll ich sagen? Im Augenblick fühlt sie sich nicht so gut. Sie hat mich auf der Arbeit angerufen und gebeten, nach Hause zu kommen.«
»Hast du einen Arzt angerufen?«
»Ich hatte gerade aufgelegt. Er sagt, dass ein tückischer Virus im Umlauf ist.«
»Wirklich? Davon hab ich noch gar nichts gehört.«
»Pass auf, Barbara, ich muss in die Gänge kommen. Ich sage Chris, sie soll dich zurückrufen, sobald sie ihren Kopf wieder aus der Kloschüssel heben kann, okay?«
»Klar«, sagte Barbara dem folgenden Freizeichen. Sie gab noch eine Zeit lang vor zuzuhören, für den Fall, dass sie jemand beobachtete, während sie versuchte, das unangenehme Bild ihrer über dem Klo hängenden Freundin abzuschütteln. »Das war aber plötzlich«, sagte sie und dachte, dass Chris in den letzten paar Tagen stiller als sonst gewesen war. Vielleicht hatte sie schon etwas in den Knochen gehabt. War es möglich, dass sie wieder schwanger war? Chris hatte ihr anvertraut, dass Tony unbedingt noch mehr Kinder haben wollte, doch sie hatte ihr auch gestanden, dass sie weiter die Pille nahm.
Barbara klopfte mit dem Hörer auf die Handfläche und beschloss, dass sie später bei Chris vorbeischauen würde, um herauszufinden, was eigentlich los war. Die Frage, die sich noch bedrängender stellte, war jedoch, was sie jetzt tun sollte. Sie konnte schlecht einfach gehen, nachdem sie fast eine Stunde lang einen begehrten Vierertisch in einem der beliebtesten Restaurants der Stadt belegt hatte. Ihr war allerdings genauso wenig danach, alleine zu essen, schon gar keine zum Sterben köstliche Ravioli. Gab es sonst noch jemanden, den sie anrufen konnte? Ihre Schwiegermutter? Sie beschwerte sich ständig darüber, dass Barbara nicht genug Zeit mit ihr verbrachte. Nein, die Frau würde nur das ganze Mittagessen lang mit ihrer anderen Schwiegertochter prahlen, der talentierten, schlanken Sheila, der Gebärmaschine. Vier Kinder, und sie wog noch immer kein Gramm mehr als bei ihrer Hochzeit. Und nicht nur das, die Kinder flutschten einfach so ganz problemlos aus ihr raus. Wie ein Huhn, das Eier legt, war Barbara stets versucht zu sagen, doch sie hatte sich nie getraut. Jawohl, Super-Sheila managte nicht nur den Haushalt und vier kleine Kinder von acht Jahren abwärts, sie betrieb von zu Hause aus auch noch einen erfolgreichen Partyplanungsservice und arbeitete bereits an Baby Nummer fünf. Das alles im Vergleich zu Barbara, die es noch nicht einmal geschafft hatte, auch nur ein Geschwisterchen für die schon fast sieben Jahre alte Tracey zu produzieren, obwohl sie reichlich Zeit hatte und sich die manikürten Hände nicht mit Arbeit schmutzig machte. Sie könnte sich zumindest einen Job suchen, ließ ihre Schwiegermutter gelegentlich durchblicken, doch Barbara wollte keinen Job annehmen, bei dem sie nicht wieder zu Hause sein konnte, wenn Tracey aus der Schule kam. Ron hatte auch nichts dagegen, dass sie Vollzeitmutter und -hausfrau war, und sich noch nie darüber beschwert, dass Tracey ein Einzelkind war. Außerdem war es nicht so, als ob sie
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