Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
»Wieso?«
»Ich nehme ein Schmerzmittel, das ich auf Rezept bekomme. Es handelt sich um Hydromorphon, ein Morphiumderivat. Ich bin heute Morgen hergekommen, weil ich festgestellt habe, dass meine Tabletten verschwunden sind.«
»Wenn Sie Dilaudid meinen«, meldete sich Munro aus seiner Ecke, »das ist sogar noch stärker als Morphium. Meiner Frau haben sie das vor ein paar Jahren nach einer Operation verabreicht. Von dem Zeug ist ihr speiübel geworden.«
»Mr. Benoit, wann haben Sie Ihre Tabletten das letzte Mal gesehen?«, fragte Ross.
Pascal überlegte einen Moment. »Das ist schon einige Tage her. Wissen Sie, ich nehme sie nicht regelmäßig, nur wenn die Schmerzen besonders stark sind. Gestern Abend, nachdem ich nach Benvulin umgezogen war, waren meine Rückenschmerzen mal wieder sehr schlimm, aber als ich in meiner Reiseapotheke nachsah, waren die Tabletten verschwunden.«
»Aber Sie sind sicher, dass Sie sie hier im Haus dabeihatten?«
»Ja«, antwortete Pascal bestimmt. »Ich weiß noch, dass ich am Freitag eine genommen habe, nachdem Donald mich zum Angeln mitgenommen hatte.«
»Wissen Sie, wie viele Tabletten es waren?«
»Das Rezept lautet auf dreißig – es waren vielleicht noch fünfzehn übrig. Ich kann es natürlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen.«
Ross blickte in die Runde. »Nun, das lässt die Dinge schon in einem etwas anderen Licht erscheinen. Jeder hier im Haus hätte die Tabletten in Callum MacGillivrays Whisky praktizieren können, aber«– er fixierte John –»Sie und der junge Martin waren es, die beim Betreten von Mr. MacGillivrays Hütte gesehen wurden.«
»Ich wollte Martin bloß den Reithof zeigen.« John schien verzweifelt bemüht, den Inspector zu überzeugen. »Ich wusste, dass Callum nichts dagegen haben würde.«
»Chief Inspector, Sie haben uns immer noch nichts über Callums Zustand gesagt«, warf Louise ein. Ihre Miene wirkte entschlossen; und sie schien sich entschieden zu haben, Martin fürs Erste zu ignorieren. »Ich weiß nicht, ob Sie uns absichtlich quälen wollen, aber Callum ist nicht nur ein Nachbar, sondern auch unser Freund.«
»Ich bitte um Verzeihung, Mrs. Innes.« Ross schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. »Ich wollte Sie nicht auf die Folter spannen. Die Ärzte scheinen zu glauben, dass Mr. MacGillivray über den Berg ist, aber es wird noch ein paar Stunden dauern, ehe sie uns mit ihm sprechen lassen.«
Gemma war erleichtert, aber nicht sonderlich überrascht, da sie vermutete, dass Ross sie gleich informiert hätte, wenn MacGillivray den Mordanschlag nicht überlebt hätte. Sie war sich auch sicher, dass Ross – was er natürlich wohlweislich nicht erwähnt hatte – eine Wache vor Callums Krankenzimmer postiert hatte, für den Fall, dass jemand auf die Idee käme, zu vollenden, was er oder sie angefangen hatte, bevor Callum etwas verraten konnte.
»Gott sei Dank«, hauchte Louise, und Gemma bemerkte, dass John ihr einen seltsamen Blick zuwarf. Fand John etwa, dass Louise sich nicht so übermäßig besorgt um ihren Nachbarn zeigen sollte? Lief hier vielleicht etwas ab, was ihr bisher völlig entgangen war?
Sie überlegte gerade, ob sie und Kincaid Ross wohl überreden könnten, sie mit MacGillivray sprechen zu lassen, oder ob sie Louise noch einmal allein erwischen könnte, als ihr Handy zu vibrieren begann. Gemma entschuldigte sich, wandte sich ab und las die Nummer des Anrufers ab. Zu ihrer Überraschung erblickte sie die örtliche Vorwahl. Sie schlüpfte zur Tür hinaus und nahm den Anruf an.
»Gemma? Hier spricht Heather Urquhart. Ist Hazel bei Ihnen? Ich habe hier etwas gefunden, von dem ich denke, dass sie es vielleicht sehen sollte.« Heather klang unsicher und verwirrt, ganz im Gegensatz zu ihrer üblichen selbstbewussten Art. »Eigentlich wäre es mir sogar am liebsten, wenn Sie beide sofort herkommen könnten, falls es irgendwie möglich ist.«
Kit war schon einmal weggelaufen, kurz nach dem Tod seiner Mutter, als er bei seinen Großeltern gewohnt hatte. Damals war er auch nach Grantchester zurückgegangen, auf der Suche nach etwas, was er nicht hatte finden können. Wieso hatte er geglaubt, es würde dieses Mal anders sein?
Seine Mutter war tot, sein Haus gehörte fremden Leuten, und jetzt war Ian auch noch weg. Hier gab es nichts mehr für ihn.
Er hockte auf der Erde, in der tunnelartigen Laube aus Eiben, die sich an der Seitenwand von Nathans Cottage hinzog. Die Laube war vorne und hinten mit einem Tor abgeschlossen,
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