Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
was ihr eine geschützte, höhlenartige Atmosphäre verlieh, und Kit hatte sich oft hierher zurückgezogen, nachdem er sich mit Nathan angefreundet hatte.
An diesem Morgen war er früh aufgewacht. Das fremde Bett, in dem er lag, die fremden Geräusche des Hauses um ihn herum hatten einen heftigen Anfall von Heimweh in ihm ausgelöst – er hatte gar nicht gewusst, wie sehr er sich schon an das Haus in Notting Hill gewöhnt hatte, an Duncans Stimme, wenn er morgens in der Dusche hoffnungslos altmodische Schlager sang, an Gemmas Gemurmel, wenn sie unten in der Küche herumwerkelte und dabei leise mit den Tieren sprach, an das Getrappel von Tobys kleinen Füßen, wenn er die Treppe rauf- und runterlief. Automatisch streckte er die Hand nach Tess aus und klopfte auf die leere Stelle in der Mitte der Decke.
Wie hatte er Tess nur zurücklassen können? Es war das erste Mal, dass er von der kleinen Hündin getrennt war, seit er sie gefunden hatte, und es fühlte sich an, als hätte er einen Arm oder ein Bein verloren.
Er hatte gewusst, dass er keinen Schlaf mehr finden würde, und so war er aufgestanden, hatte sich angezogen und sich leise aus dem Haus geschlichen, um Nathan nicht zu wecken. Über den Pfad, der an der Rückseite von Nathans Garten begann, war er zum Ufer des Cam hinuntergegangen. Der Morgennebel, der in den Mulden und Senken entlang des Flusses lag, reckte geisterhafte Finger nach dem Land. Auf der stillen Wasseroberfläche schimmerten unwirklich die Spiegelbilder der alten Bäume; die Luft roch nach feuchter Erde und ein wenig nach Fäulnis.
Kit war den Uferpfad entlanggegangen, bis er in den Garten seines alten Hauses hatte sehen können. Die rosa verputzten Mauern des Cottages leuchteten frisch im Morgenlicht, doch der Rasen war nicht gemäht, die Terrasse leer. Vielleicht war die neue Familie noch nicht eingezogen. Doch dann hatte er eine Tür ins Schloss fallen gehört und gesehen, dass sich hinter dem vorhanglosen Küchenfenster etwas bewegte.
Einen Moment lang hatte er geglaubt, hinter der verschmierten Scheibe das Profil seiner Mutter zu erkennen, ihr schwingendes, hellblondes Haar. Dann hatte er sich umgedreht und war blindlings zu Nathans Grundstück zurückgerannt, wo er sich unter den Eiben verkrochen und versucht hatte, das Chaos der Gefühle, die in ihm aufwallten, in den Griff zu bekommen.
Jetzt quietschte das Gartentor, und Nathans untersetzte Gestalt verdunkelte den Eingang der Laube.
»Dachte ich mir’s doch, dass ich dich hier finden würde«, sagte Nathan. Er kam auf Kit zu und setzte sich neben ihn. Das war eines der Dinge, die Kit an Nathan mochte – er hatte noch nie ein Problem damit gehabt, sich schmutzig zu machen. »Duncan hat vor ein paar Minuten angerufen. Er sagte, er habe in deiner Schule Bescheid gesagt, dass du ein paar Tage fehlen wirst.« Nathan rollte eine Eibennadel zwischen Daumen und Zeigefinger, dann fügte er hinzu: »Er hat mir auch von Ian erzählt.«
Sie saßen eine Weile schweigend da. Das war eine andere Sache, die Kit an Nathan gefiel: dass man mit ihm einfach zusammenhocken konnte, ohne dass einer etwas sagte; ohne dass er einem erzählte, was man über dies oder jenes zu denken hatte.
»Ich hab das ganze Schuljahr lang für diese Reise nach Toronto gespart«, sagte Kit, als er sich einigermaßen sicher sein konnte, dass ihm die Stimme nicht versagen würde.
»Echt dumm gelaufen. Oder vielmehr, verdammt schlechtes Timing von Ian.« Nathan lächelte. »Weißt du, Kit, wenn einer erwachsen ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er auch immer an die Konsequenzen seines Handelns denkt. Ich bin mir sicher, dass er sich gar nicht im Klaren darüber war, wie wichtig dir dieser Besuch war.«
»Er will mich loswerden«, sagte Kit mit erstickter Stimme. »Er sagte, er wollte einen Neuanfang machen, ein neues Leben mit einer neuen Familie beginnen. Ich bin mir sicher, dass das der Grund ist, weshalb er wollte, dass ich den DNA-Test mache.«
Nathan dachte einen Augenblick darüber nach. »Und du willst den Test nicht machen, oder?«
»Nein.«
»Und selbst wenn es wahr wäre, was du gerade über Ian gesagt hast – was ich übrigens nicht glaube –, ist dein Platz doch jetzt bei Duncan und Gemma. Oder bist du dort etwa nicht glücklich?«
»Doch, schon – na ja, die Schule ist vielleicht nicht ganz so toll, aber darum geht es auch nicht. Es ist nur–« Kit legte das Kinn auf die Knie, während er sich vergeblich mühte, in Worte zu fassen, was er kaum
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