Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
kombiniert wie hier in Benvulin. Man kann verstehen, warum die Brodies es so geliebt haben – bisweilen vielleicht zu sehr, fürchte ich.«
»Und Donald war keine Ausnahme«, murmelte Gemma. Sie war automatisch auf das Bürogebäude zugesteuert, doch dann sahen sie Heather aus der Tür von Benvulin House treten und ihnen zuwinken.
Heather hatte ihr schickes Business-Kostüm gegen einen Pullover, alte Jeans und Turnschuhe eingetauscht. Die anderen machten kehrt und gingen auf sie zu, und als Gemma die Stufen zu dem alten Haus hinaufstieg, sah sie, dass Heather über einer Augenbraue einen verschmierten Fleck hatte.
»Heather, was ist passiert?«, fragte Hazel ohne lange Vorrede. »Hat es irgendwas mit dem Geschäft zu tun?«
»Nein.« Heather schien plötzlich verunsichert. »Ich habe Donalds persönliche Papiere durchgesehen. Ich hatte angefangen, mir Gedanken wegen der Beerdigung zu machen, und hatte gehofft, irgendetwas zu finden, woraus man schließen könnte, was er sich gewünscht hätte. Und, um ehrlich zu sein«– sie sah ihrer Cousine direkt in die Augen –, »hatte ich auch gehofft, vielleicht ein zweites Testament zu finden.«
»Heather, du weißt doch, dass ich nie wollte –«
»Nein, es ist schon in Ordnung. Das war albern von mir und zudem ungerecht. Ich weiß, dass es nicht deine Entscheidung war, sondern das, was Donald für das Beste hielt, und ich habe mich damit abgefunden. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich angerufen habe. Komm und sieh es dir selbst an.« Heather drehte sich um und führte sie ins Haus, durch eine große Eingangshalle und dann eine massive Steintreppe hoch.
Durch die offenen Türen der Zimmer, an denen sie vorbeigingen, erblickte Gemma verblasste alte Perserteppiche und schwere Samtvorhänge. An den Wänden hingen Hirschgeweihe neben Spiegeln mit goldenen Zierrahmen und Familienporträts, und das ganze Haus strahlte eine Atmosphäre überladener, verblasster und ein wenig verwahrloster Feudalität aus.
»Ein Paradebeispiel für den schottischen Herrenhaus-Stil«, erklärte Heather. »Dieses Haus ist ein Dinosaurier, und die Kosten für die Instandhaltung sind horrend.« Sie führte die drei in ein Zimmer im obersten Stock mit hohen Fenstern, durch die man nicht in den Hof der Brennerei, sondern auf den Fluss hinunterschaute, der grau und träge dahinfloss.
Hier sahen sie deutliche Spuren von Heathers Aktivitäten. Der Fußboden war mit Stapeln von Büchern und Papieren bedeckt, ebenso wie der alte Schreibtisch mit der ledernen Arbeitsfläche. »Ich glaube, Donald hat sich in diesem Zimmer nie so richtig wohl gefühlt«, meinte Heather. »Es erinnerte ihn zu sehr an seinen Vater.« Sie bemerkte, dass Kincaid interessiert eine Ansicht von Benvulin studierte, die hinter dem Schreibtisch hing, und fügte hinzu: »Das ist ein Aquarell von Landseer, das er Donalds Urgroßvater geschenkt hat, wenn ich mich nicht irre. Der Maler war bekannt dafür, dass er sich für die Gastfreundschaft seiner Bekannten revanchierte, indem er mal eben ein Bild von ihren Besitztümern auf die Leinwand zauberte.«
Hazel war in der Tür stehen geblieben. »Heather, was –«
»Hier.« Heather legte die Hand auf einen Stapel in Leinen gebundener Bücher in einer Ecke des Schreibtischs. »Ich habe die Tagebücher der Schwester von Donalds Urgroßvater gefunden. Und ich glaube, dass ich den Grund für das Zerwürfnis zwischen den Brodies und den Urquharts entdeckt habe. Aber ich will, dass du es selbst liest.«
Hazel musste sich sichtlich überwinden, als sie das Zimmer betrat. In diesem Moment klingelte Gemmas Handy erneut. »Mist«, murmelte sie halblaut, während sie es aus der Halterung zog. Es war Alun Ross.
Sie hörte eine Weile zu und sagte dann: »Ja, ich richte es ihm aus. Ja, sofort. Nein, ich kann ihn hinbringen.« Doch als sie das Gespräch beendet hatte, war es nicht Kincaid, den sie ansah, sondern Hazel.
»Das war Chief Inspector Ross.« Gemma atmete tief durch. Sie sah keine Möglichkeit, ihr die Nachricht schonend beizubringen. »Die Londoner Polizei hat in Tims Auto einen Kassenbon von einer Tankstelle in Aviemore gefunden, ausgestellt am vergangenen Samstag. Tim wird zurzeit noch verhört. Er hat den angebotenen Anwalt verweigert und sagt, er würde nur mit Duncan sprechen.« Sie wandte sich an Kincaid. »In etwas mehr als einer Stunde geht eine Maschine von Inverness nach London. Ich habe gesagt, ich sorge dafür, dass du sie erwischst.«
19. Kapitel
Ich bin die
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