Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
Und außerdem hat Martin doch gesagt, dass Donald gestern Abend noch in ihr gemeinsames Zimmer zurückgekommen ist, also würde die Tatsache, dass Donald und Hazel gestern Abend zusammen waren, noch lange nicht bedeuten –«
»Nein, da haben Sie Recht, aber Mrs. Cavendish hat für die entscheidenden Stunden des heutigen Morgens kein Alibi.«
»Oh.« Die Pupillen in Louise Innes’ blassblauen Augen weiteten sich. »Aber…«
»Haben Sie Mrs. Cavendish heute Morgen gesehen?«
»Nein. Erst nachdem… ihr Wagen war nicht da, als ich das erste Mal in den Garten ging. Sie kam zurück, als Gemma gerade…« Zum ersten Mal schien Louise den Tränen nahe.
»Haben Sie den Schuss gehört?«
Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre Frisur wippte. »Nein. Jedenfalls kann ich mich an nichts erinnern – vielleicht habe ich auch einfach nicht darauf geachtet. Ich hatte eine ganze Weile in der Küche zu tun; ich habe Kaffee gekocht und wie jeden Morgen die Hausarbeit erledigt, und ich war dabei wahrscheinlich nicht besonders leise. Aber nachdem John weg war, bin ich in den Garten gegangen. Da hätte ich bestimmt etwas gehört.«
»Ihr Mann hat heute Morgen das Haus verlassen?« Ross wurde plötzlich hellhörig. Er registrierte, wie Munro sich hinter seinem Rücken regte, und wusste, dass sein Sergeant es auch mitbekommen hatte. »Ich kann mich nicht entsinnen, dass er davon irgendetwas gesagt hätte.«
»Er ist nur rasch zu einem der umliegenden Höfe gefahren, um frische Eier fürs Frühstück zu besorgen – sie betreiben dort Freilandhaltung. Das ist doch nichts Verbotenes, oder?«
»Wissen Sie, um wie viel Uhr das war?«
»Ich – nein, darauf habe ich nicht geachtet. Sie denken doch nicht – Sie glauben doch wohl nicht, dass
John
die Flinte genommen hat?«, fuhr sie fort, die Stimme schrill vor Entsetzen. »Das kann gar nicht sein. Ich war in der Küche, als er ging.«
»Er könnte die Flinte schon vorher ins Auto gelegt haben– in der Nacht zum Beispiel.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte Louise mit tonloser Stimme, als weigerte sie sich, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. »Selbst wenn John zu einer solchen Tat fähig wäre, woher hätte er denn wissen sollen, dass Donald an diesem Morgen am Fluss spazieren gehen würde? Wie konnte irgendjemand das wissen?«
Ross war sich nicht sicher, was er eigentlich erwartet hatte, nach all dem, was er über Hazel Cavendish gehört hatte – eine glamouröse Erscheinung vielleicht, einen Vamp-Typ wie ihre Cousine Heather Urquhart.
Stattdessen sah er sich einer zierlichen Frau mit einem einnehmenden herzförmigen Gesicht gegenüber, dessen Wirkung durch die dunklen Augen und das ebenso dunkle, lockige Haar noch verstärkt wurde. Sie trug einen flauschigen gelben Pullover, und ihr Gesicht war vom Weinen verquollen.
Er unterdrückte einen unvermuteten Impuls, sie mit Samthandschuhen anzufassen, und begann mit der Frage: »Mrs. Cavendish, hatten Sie ein Verhältnis mit Donald Brodie?«
»Nein.« Ihre Antwort war nur ein Flüstern. »Nein«, wiederholte sie dann mit festerer Stimme, was sie offensichtlich Mühe kostete.
»Sie waren aber doch früher ein Paar?«
»Das ist lange her, Chief Inspector.« Sie wirkte unendlich müde. »In einem anderen Leben.«
»Aber Donald Brodie hatte gehofft, die Beziehung wiederbeleben zu können, oder?« Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »War das der Auslöser für Ihren Streit gestern Abend?«
Ihre Augen weiteten sich. »Ich – Er… er hat das Gespräch auf ein paar alte Probleme zwischen uns gebracht. Es war kein Streit. Das Ganze kann unmöglich irgendetwas mit Donalds Tod zu tun haben.«
»Na ja, da wäre ich mir aber nicht so sicher! Ich habe den Verdacht, dass Sie ziemlich sauer auf dieses Mädel waren, das vor dem Abendessen aufgetaucht ist und nach ihm gefragt hat.«
»Davon weiß ich nichts.« Sie presste störrisch die Lippen zusammen.
»Und heute Morgen, Mrs. Cavendish? Können Sie mir sagen, wohin Sie mit dem Wagen gefahren sind?«
Sie schluckte und schnappte hastig nach Luft, als ob sie sich anschickte, einen vorbereiteten Text herunterzurasseln. »Ich bin nach Aviemore gefahren. Ich habe mir Sorgen um meine Tochter gemacht. Ich hatte sie bis zu diesem Wochenende noch nie so lange allein gelassen, und ich dachte, ich sollte besser nach Hause fahren. Aber so früh fuhr noch gar kein Zug. Also bin ich wieder umgekehrt.«
Sie war keine geübte Lügnerin, dachte Ross, und sie stellte sich
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