Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
er mit wohl überlegter Grausamkeit hinzu, um ihre unterkühlte Selbstbeherrschung zu erschüttern. »Kein sehr schöner Anblick –«
Sie schlug die Hände vors Gesicht, als könne sie sich mit ihren langen, weißen Fingern vor der Wirkung seiner Worte schützen. »Hören Sie auf, ich bitte Sie«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Nein. Die Antwort lautet Nein. Donald und ich waren Freunde – gute Freunde –, mehr nicht.«
»Dann können Sie mir vielleicht erklären, was es mit der Frau auf sich hatte, die ihn gestern Abend aufgesucht hat – die mit dem Kind.«
Heather nickte und legte die Hände wieder in den Schoß, doch das leichte Zittern war Ross nicht entgangen. »Ihr Name ist Alison Grant. Und das Mädchen war ihre Tochter Chrissy. Sie ist ein Krüppel.« In ihrer Stimme lag Ablehnung, als sei das Kind durch schlechte Tischmanieren aufgefallen. »Donald ist ein paar Mal mit ihr ausgegangen, aber ich glaube, in letzter Zeit hat er eher versucht, ihr aus dem Weg zu gehen.«
»Und deshalb hat sie ihn hier gesucht?«
»Ich weiß nicht, wie sie herausgefunden hat, dass er hier war«, antwortete Heather. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es ihr gesagt hat. Von mir wusste sie es jedenfalls nicht.«
»Wissen Sie, wo wir Alison Grant finden können?«
»Sie hat eine Wohnung in Aviemore; die Adresse kenne ich nicht. Aber sie arbeitet in dem Souvenirladen an der Hauptstraße, nicht weit vom Bahnhof.«
Ross machte sich eine Notiz. »Als sie gestern hier auftauchte, hat sie sich da mit Mr. Brodie gestritten?«
»Ich weiß nicht. Er hat nur vor der Tür mit ihr gesprochen.«
»Und hinterher haben Sie nicht mit ihm darüber geredet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben dann gegessen, und danach… danach ist er gegangen.«
»Mit Ihrer Cousine, wenn ich mich nicht irre – Hazel Cavendish.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Können oder wollen Sie es nicht sagen?«
»Ich kann nicht, Chief Inspector. Ich habe keine Ahnung, was die beiden getan haben, nachdem sie das Esszimmer verlassen hatten.«
»Aber es gab eine Beziehung zwischen Ihrer Cousine und Donald Brodie?«
»Früher einmal, ja. Aber das war, bevor ich bei Donald anfing, und in die Details seines Privatlebens war ich nicht eingeweiht.«
»Sie stehen Ihrer Cousine nicht besonders nahe?«
»Nein«, antwortete Heather prompt. Als fürchtete sie, zu schroff gewesen zu sein, setzte sie noch hinzu: »Jedenfalls seit unserer Kindheit nicht mehr. Ihre Familie ist fortgezogen, als wir Teenager waren.«
»Dann können Sie mir vielleicht sagen, was jetzt aus der Brennerei werden wird, da Mr. Brodie nicht mehr da ist.«
»Ich – ich bin mir nicht sicher. Donalds Schwester lebt nicht mehr – das wissen Sie ja wohl. Seine Eltern waren schon geschieden, als sein Vater starb, und seine Mutter hat wieder geheiratet; sie hat also keinerlei Ansprüche auf den Familienbesitz. Ich habe keine Ahnung, welche Vorkehrungen er bezüglich seiner Anteile getroffen hat.«
»Sie können mir doch sicher den Namen von Mr. Brodies Anwalt sagen?«
»Giles Glover in Grantown. Donald und er sind zusammen zur Schule gegangen.«
Ross schrieb sich den Namen auf, dann entließ er sie.
Munro meldete sich von seinem Platz an der Wand zu Wort. »Die Brodies sind offenbar besonders anfällig für Tragödien – erst der Vater und die Tochter, und jetzt der Sohn.«
»Ja, ich habe da irgendwas in der Zeitung gelesen –«
»Ein Bergunfall. Sind auf dem Cairngorm von einem Schneesturm überrascht worden, der ihnen den Weg abgeschnitten hat. Die Leichen wurden erst nach Tagen gefunden.«
»Schlimme Geschichte«, pflichtete Ross ihm bei. »Aber ich kann da beim besten Willen keine Verbindung erkennen.«
Munro sah enttäuscht aus, fuhr dann aber unverdrossen fort: »Mir scheint, das Mädel wusste sehr gut über Mr. Brodies Angelegenheiten Bescheid, so sehr sie auch das Gegenteil beteuert hat.«
»Kann sein, kann auch nicht sein. Wir dürfen nicht vergessen, welche Stellung sie in seiner Firma hatte. Morgen früh nehmen wir uns gleich den Anwalt vor. Aber jetzt machen wir erst mal ein Feuer in dieser Bude. Und dann hören wir uns an, was Mrs. Innes zu sagen hat.«
Louise wirkte überzeugender als ihr Ehemann, als sie ihnen versicherte, dass sie keinen der Hausbewohner in der Nähe des Waffenschranks beobachtet habe. Sie habe auch keine Fremden im Garten oder vor dem Eingang zur Spülküche bemerkt. Sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie sich den
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