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Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Titel: Nur zu deinem Schutz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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mein Vater doch wieder tot ist, wenn ich aufwache. Ich gerate in Panik und renne los. Plötzlich steht er wieder vor mir und ich werfe mich in seine Arme. Ich umarme ihn, so fest ich kann, und einen Moment lang fühlt er sich so echt an, dass ich denke … nein, weiß, dass das kein Traum ist! Er lebt! Er ist nie gestorben!
    Aber noch während ich das denke, spüre ich, wie er mir entgleitet. Hinter ihm taucht der Sanitäter mit den rotblonden Haaren und den grünen Augen auf. Er sieht mich wieder mit dem gleichen ernsten Blick an. »Nein!«, brülle ich und presse meinen Vater noch fester an mich, vergrabe mein Gesicht an seiner Brust und weine in das blaue Hemd, das immer sein Lieblingshemd war. Aber mein Dad löst sich langsam zu einem Schatten auf und dann ist sein Lächeln verschwunden.
    »Nein!«, brülle ich noch einmal.
    Ich schließe die Augen, klammere mich immer verzweifelter an ihn, aber es nützt nichts. Es ist, als würde man versuchen, sich an Rauch festzuhalten. Der Traum geht zu Ende, und ich spüre, wie das Bewusstsein zurückkehrt.
    »Bleib bei mir! Bitte!«, rufe ich.
    Ich wachte schweißgebadet und schwer atmend in Myrons altem Zimmer im Keller auf. Als ich mir übers Gesicht fuhr, stellte ich fest, dass meine Finger nass waren. Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter und stand auf.
    Nachdem ich geduscht und mich angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Schule. In Mrs Friedmans Kurs arbeiteten Rachel und ich weiter an unserem Projekt. Irgendwann fragte sie: »Was ist los?«
    »Nichts. Warum?«
    »Du hast gerade zum ungefähr fünfzigsten Mal gegähnt.«
    »Tut mir leid.«
    »Da kann man als Mädchen Komplexe bekommen, weißt du?«
    »Es liegt nicht an dir«, beteuerte ich. »Ich hab nur schlecht geschlafen.«
    Sie sah mich mit diesen großen blauen Augen an. Ihre Haut war makellos. Am liebsten hätte ich ihr über die Wange gestrichen. »Darf ich dich was Persönliches fragen?«, sagte sie.
    Ich nickte zögernd.
    »Warum wohnst du bei deinem Onkel?«
    »Du meinst, warum ich nicht bei meinen Eltern wohne?«
    »Genau.«
    Ich starrte auf das Geschichtsbuch vor mir auf dem Tisch. Die Seite, die aufgeschlagen war, zeigte ein Porträt von Robespierre, einem der wichtigsten Anführer der Französischen Revolution, aus dem Jahr 1794. Er hatte einen selbstgefälligen Ausdruck im Gesicht, und ich fragte mich, ob er auch nur die leiseste Ahnung gehabt hatte, dass er schon ein paar Monate später auf der Guillotine landen würde. »Meine Mutter ist in einer Entzugsklinik«, sagte ich, »und mein Vater ist tot.«
    »Oh.« Sie presste eine Hand auf den Mund. »Tut mir leid, Mickey. Ich wollte nicht …« Sie verstummte.
    Ich sah sie an und brachte ein Lächeln zustande. »Ist schon okay«, sagte ich.
    »Hast du deswegen schlecht geschlafen? Weil du von deinen Eltern geträumt hast?«
    »Von meinem Dad«, sagte ich und wunderte mich ein bisschen über mich selbst.
    »Darf ich fragen, wie er gestorben ist?«
    »Bei einem Autounfall.«
    »Hast du davon geträumt?«
    Schluss jetzt, dachte ich. Aber dann sagte ich: »Ich war dabei.«
    »Bei dem Autounfall?«
    »Ja.«
    »Du hast mit ihm im Wagen gesessen?«
    Ich nickte.
    »Wurdest du verletzt?«
    Ich lag drei Wochen mit ein paar gebrochenen Rippen im Krankenhaus. Aber der Schmerz war nichts im Vergleich zu dem, den ich empfunden hatte, als ich zusehen musste, wie mein Vater starb. »Nur leicht«, sagte ich.
    »Wie ist es passiert?«
    Ich sah es immer noch vor mir. Wie wir lachend im Wagen sitzen, das Radio läuft, dann der plötzliche Zusammenprall, das dumpfe Geräusch, als sein Kopf gegen die Scheibe knallt, das Blut, die Blaulichter. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, konnte ich mich nicht bewegen. Neben mir bemühte sich der Sanitäter mit den rotblonden Haaren um meinen Vater, der auf keine der Wiederbelebungsmaßnahmen reagierte. Ich selbst war auf dem Beifahrersitz eingeklemmt, und die Feuerwehrmänner arbeiteten mit Hochdruck daran, mich mithilfe eines hydraulischen Rettungsgeräts zu bergen. Dann sah mich der rotblonde Sanitäter an – ich erinnere mich noch gut, dass er grüne Augen mit einem gelben Ring um die Pupillen hatte –, und sein ernster Blick schien mir zu sagen, dass nichts mehr so sein würde wie vorher.
    »Hey«, sagte Rachel ganz sanft. »Wir arbeiten nur zusammen an einem Projekt für die Schule – das bedeutet nicht, dass du deine Seele vor mir entblößen musst. In Ordnung?«
    Ich nickte dankbar und dann verscheuchte

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