Nur zu deinem Schutz (German Edition)
Limousine bekam, deren Kennzeichen auf dem merkwürdigen Grabstein eingraviert war, und die einem fünfzehnjährigen Jungen gesagt hat, sein toter Vater sei noch am Leben.
»Was ist das?«, riss Ema mich aus meinen Gedanken.
»Was?«
»Da.« Sie deutete auf die Rückseite des Grabsteins. »Hier ist irgendetwas eingeritzt.«
Ich ging langsam auf sie zu, aber ich wusste schon, was es war. Keine Ahnung wieso, ich wusste es einfach. Und als ich hinter dem Grabstein stand und die Taschenlampe darauf richtete, war ich nicht wirklich überrascht über das, was ich sah.
Einen Schmetterling mit Augen auf den Flügeln.
Ema sog erschrocken die Luft ein. Die Musik im Haus verstummte. Einfach so. Als hätte jemand genau in dem Moment den Schalter umgelegt, in dem mein Blick auf das verdammte Symbol gefallen war.
Ema schaute mich an und schien etwas in meinem Gesicht zu sehen, das sie beunruhigte. »Mickey?«
Plötzlich kochte ich vor Wut. Verdammt, ich wollte endlich Antworten. Und zwar schnell. Ich würde nicht warten, bis dieser Glatzkopf mit dem britischen Akzent sich dazu herabließ, mit mir zu reden. Ich würde nicht warten, bis die Hexe mir ihren nächsten kryptischen Hinweis vor die Füße warf. Ich würde noch nicht einmal bis morgen warten.
Ich würde es sofort herausfinden.
»Mickey?«
»Geh nach Hause, Ema.«
»Was? Spinnst du?«
Ich drehte mich um und stürmte auf das Haus zu. Im Gehen zog ich mein Portemonnaie aus der Tasche und suchte nach der Kreditkarte, um das Schloss zu öffnen.
»Wohin willst du?«, flüsterte Ema hinter mir.
»Ins Haus.«
»Das kannst du nicht machen! Mickey?«
Doch, das konnte ich. Diesmal würde ich mich gründlicher umschauen und auch einen Blick in diesen Keller werfen. Und wenn ich diese Treppe hochsteigen und die Tür zum Schlafzimmer der Hexe eintreten musste, um Antworten zu bekommen, tja, dann würde ich auch das tun.
»Mickey, warte!«
»Nein!«
Ema packte mich am Arm und wirbelte mich zu sich herum. »Atme einfach mal kurz durch, okay?«
Ich machte mich sanft von ihr los. »Dieser Schmetterling oder was auch immer das sein soll … den habe ich auf einem Foto im Haus der Hexe gesehen – einem Foto, das bestimmt vierzig, fünfzig Jahre alt ist. Derselbe Schmetterling war auch auf dem Namenskärtchen am Grab meines Vaters. Ich kann nicht mehr warten, Ema. Ich brauche Antworten. Jetzt.«
Als ich vor der Tür stand, zückte ich die Kreditkarte und wollte sie wie beim letzten Mal durch den Spalt gleiten lassen.
Das Problem war nur, dass es keinen Spalt mehr gab.
Verblüfft trat ich einen Schritt zurück und sah mir die Tür genauer an – das war nicht mehr die alte Holztür mit dem Fenstereinsatz. Diese hier war funkelnagelneu und einbruchssicher. Ich schaute Ema an.
»Da hat es aber jemand eilig gehabt«, sagte sie. »Was jetzt?«
»Du gehst nach Hause«, sagte ich.
Sie täuschte herzhaftes Gähnen vor. »Da kannst du lange warten.«
Ich zuckte die Achseln. »Okay, du hast es so gewollt.«
Als ich an die Tür klopfte, stieß Ema einen kleinen Schrei aus und wich zurück.
Nichts passierte. Ich presste mein Ohr an die Tür und lauschte. Nichts. Ich klopfte lauter. Keine Antwort. Ich begann, gegen die Tür zu hämmern und zu rufen.
»Hallo, Hexe? Machen Sie die Tür auf! Machen Sie sofort die verdammte Tür auf!«
Ema versuchte, mich aufzuhalten. »Hör auf, Mickey, das bringt doch nichts.«
Ich ignorierte sie und verpasste der Tür einen heftigen Tritt. Dann schlug ich wieder mit den Fäusten dagegen. Von mir aus konnte die alte Hexe ihr ganzes Haus verrammeln – ich würde trotzdem einen Weg finden, hineinzukommen und mir die Antworten zu holen, die ich brauchte.
Plötzlich wurde ich seitlich von einem gleißenden Lichtstrahl getroffen.
Ich weiß, dass man von Licht nicht »getroffen« werden kann, aber genau so fühlte es sich an. Das Licht kam so unerwartet und war so grell, dass ich zurücksprang und die Arme vors Gesicht hob, als müsste ich einen Angreifer abwehren. Rechts von mir hörte ich sich eilig entfernende Schritte – Ema lief davon.
Eine Stimme rief: »Nicht bewegen!«
Ich rührte mich nicht von der Stelle und fragte mich, ob das wieder mein kahlköpfiger Freund war, aber dann fiel mir auf, dass derjenige, der gerufen hatte, keinen britischen Akzent gehabt hatte. Das Licht kam näher. Ich hörte die Schritte von mehreren Personen – vielleicht zwei oder drei.
»Ähm, könnten Sie vielleicht den Scheinwerfer ausmachen«, fragte ich.
Weitere Kostenlose Bücher