Nuramon
die Alben und ihre Widersacher.«
Nuramon hielt es für möglich, dass Ceren recht hatte. Dareen mochte kein Albenkind gewesen sein. Sie war ihm in der Gestalt einer Elfe und Alwerich in der einer Zwergin erschienen. Ihren wahren Körper hatte er nie gesehen. »Könnte sie tatsächlich noch hier sein?«, fragte er.
»Vielleicht ist es nicht wichtig, ob Dareen selbst noch hier ist«, sagte Ceren. »Wenn du nur den Ort finden könntest, an dem du sie getroffen hast, findest du vielleicht eine Spur jener feinen Macht, die uns hilft. Vielleicht hat sie etwas zurückgelassen.«
Nuramon schüttelte lächelnd den Kopf. Er hätte nie erwartet, noch einmal in den winzigen Talkessel mit braunen Felswänden unter einem strahlend blauen Himmel zurückzukehren. Schon damals war es ihm erschienen, als wären er und Alwerich, mit dem er die Pforte der Dareen geöffnet hatte, entlang eines Albenpfades an einen geheimen Ort dieser Welt getragen worden. »Aber um das Tor zu öffnen, braucht es noch immer einen Elfen und einen Zwerg«, sagte er. »Nur gemeinsam können sie das Tor öffnen.«
»Jedes Tor lässt sich überwinden oder umgehen«, entgegnete Ceren. »Finde einen Weg, Nuramon. Dies ist die einzige Spur, auf die ich dich führen kann.«
Er nickte langsam, dann wandte er sich an Nylma. »Das heißt, ich muss zurück auf den anderen Kontinent – ins Land der Tjured anbeter.«
Die Kriegerin, die nun eine Wyrenara war, richtete sich langsam vor ihm auf, als forderte sie ihn zum Kampf. »Ich werde dich begleiten«, sagte sie.
Auch Nerimee erhob sich. »Ich hingegen werde alles für deine Rückkehr vorbereiten, mich der Quellen annehmen und viele Steine sammeln.«
»Das könnte Yendred machen«, sagte Nuramon.
Nerimee lächelte. »Aber er könnte Großvater keine Pforte auf die Albenpfade öffnen«, sagte sie. »Jetzt rächt es sich, dass wir ihm den Zauber vorenthalten haben.«
»Ich hätte auf dich hören sollen«, entgegnete Nuramon nickend.
»Du kannst es wiedergutmachen«, sagte sie. »Nimm Yendred mit. Zeige ihm den Zauber. Er würde an der Reise wachsen.«
»Also der Zauberer, die Kriegerin und der Schüler im Land des Tjuredglaubens«, sagte Nuramon schmunzelnd.
Auf Nylmas Gesicht entfaltete sich ein Grinsen. »Wir sollten noch zwei Leute als Verstärkung mitnehmen«, sagte sie. »Oder glaubst du im Ernst, Yendred würde ohne Salyra und Lyasani gehen?«
Die Erklärung Nuramons im Schatten der Ceren wühlte Daoramu auf. Falls ihm oder Yendred auf der Suche nach Dareen etwas zustieße, würde sie es nicht verkraften. Nach einer Weile hörte sie nur noch die Stimmen von Nerimee und Ceren. Sie sprachen über die letzten Jahre, und neben dem Schmerz fand Daoramu viel Trost in den Erinnerungen Nerimees an all das Schöne, das ihr den Kummer erträglich gemacht hatte. Nach langem Schweigen sagte ihre Tochter: »Bleibst du bei ihr? Ich möchte kurz etwas holen.«
Es kam keine Antwort von Ceren. Schritte entfernten sich eilig. Als nur noch die Vögel sangen und der Wind in den Blättern rauschte, spürte Daoramu eine Berührung. »Sie reden mit dir«, sagte Ceren mit ihrer sanften Stimme. »Ohne zu wissen, ob du hörst.« Sie war ganz nah bei ihr.
»Ich weiß, was du durchlebst«, hörte sie Ceren sagen. »Während ich mit Alaen Aikhwitan verschmolzen war, vernahm ich Nuramon und dessen Familie.« Sie schwieg so lange, dass Daoramu glaubte, sie hätte sich zurückgezogen.
»Ich habe deine Familie belogen«, sagte der Baumgeist schließlich. »Denn ich spüre nicht, ob deine Seele noch in diesem Körper wohnt. Ich spüre nur ein Flimmern in deinem Kopf. Falls du hörst, was wir sagen, sollen dir die Worte Hunger auf das Leben machen. Also sag mir: Was wünschst du dir, wenn du erwachst?«
Daoramu wusste es sofort und schrie es stumm in die Welt hinaus: Sie würde keinen Tag mehr ohne Nuramon sein wollen.
Das Morgengezwitscher der Vögel weckte Nuramon. Er hörte Daoramu gleichmäßig atmen und wartete, dass die Sonne hinter den Lysdorynen emporstieg. Der Tag der Abreise war da, und er hatte doch noch geschlafen.
Wie so oft stellte er sich vor, Daoramu werde jeden Moment die Augen öffnen. Früher war er oft vor ihr aufgewacht und hatte gewartet, dass sie blinzelte und sich ihre Lippen zu einem Lächeln wölbten. Sie erzählten einander gern, was sie geträumt hatten. Und nun fragte sich Nuramon, ob Daoramu in ihrem langen Schlaf überhaupt träumte.
Die Fingerkuppen seiner rechten Hand juckten. Er rieb sich
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